Alte Fotos, neue Kunst – Sebastian Riemer über die Schönheit des Zufalls
Fotografieren, was man nicht sehen kann – ein Widerspruch? Sebastian Riemer zeigt, wie unabsichtliche Schönheit entsteht, wenn alte Fotos neu interpretiert werden.
Wann hast Du angefangen, als Künstler zu arbeiten, und warum? Wann hast Du Dich das erste Mal mit Kunst beschäftigt?
Beides 1998. Ich war positiv schockiert von der Tatsache, dass Kunst ein Freiheitspotenzial verheißt anstelle des bis dahin von mir angenommenen „working-class“-Kunstbegriffs, in dem Dinge wie Tradition, Meisterschaft, Talent, Themen, Hierarchie etc. dominieren. Verantwortlich dafür war ein Besuch einer Robert-Rauschenberg-Ausstellung im Museum Ludwig. Alles, was ich dort sah, habe ich wochenlang so inbrünstig verachtet, bis ich es schließlich liebte.
Denkst Du die Kunst vom Medium und Material her oder vom Thema?
Es gibt für mich hier noch etwas unbenanntes Drittes. Ausgehend davon erspüre ich, was ich machen will und was ich schön und gut finde.
Gibt es etwas, das Kunst nicht darf?
Dazu würde ich lieber Juristen aller Länder befragen.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Technischen.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Fotografische.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Fotos. Oft Fotos von Fotos, die andere gemacht haben. Diese Fotovorlagen sind dann manchmal sehr alt und von Leuten, die diese als Teil ihres Berufs gemacht haben. Dann wurden sie oft vergessen oder weggeworfen. Ich finde sie wieder. Wenn ich dann diese Fotos fotografiere, mache ich sie zu meinen Fotos, damit man sehen kann, wie schön das ist, was andere vorher unabsichtlich gemacht haben – oder wie schön es ist, was unabsichtlich durch das Vergehen der Zeit hinzugekommen ist. Das Unabsichtliche wird bei mir zum Motiv. Ich fotografiere also Dinge, die man gar nicht sehen kann. Das ist ein Widerspruch beim Fotografieren und eine Herausforderung für mich, aber auch für die Menschen, die meine Fotos anschauen.
Kaufst Du Kunst?
Kunst anderer zu besitzen, ermöglicht mir sie besser zu begreifen, genauer und länger betrachten zu können, von ihnen zu lernen und mich an ihnen zu erfreuen. Die Werke der anderen testen mich und ich teste sie.
Ein Künstler, den Du bewunderst bzw. der Dich beeindruckt?
Ewald Mataré hat mich mit seiner Hingabe zu schlichten Sujets und ihrer Umsetzung immer wieder erfreut.
Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht? Welche Ausstellung muss man unbedingt sehen?
Ich besuche am liebsten die ständigen Sammlungen der Museen. Man kann viel über das Selbstverständnis der Häuser und der dort arbeitenden Leitungspersonen erfahren. Gerade zurzeit ist es spannend zu sehen, welche Versuche und Bemühungen unternommen werden, Dinge zu verändern, um zeitgemäßen Fragen zu begegnen. Meist sind das auch Ausstellungen, die über ihre sehr lange Ausstellungsdauer (oft viele Jahre) kleine Veränderungen hier und da erfahren. Ich sehe sie oft über viele Jahre hinweg und kann beobachten, wie man sich verändert hat und wie man zu Dingen steht, die sich dort oft nicht verändert haben, aber sich verändern sollten.
Eine typische Angewohnheit von Dir?
Stürzende Linien gerade ziehen oder durch geeignetes Fotografieren direkt zu vermeiden und dann erstmal nur globale Korrekturen vorzunehmen.
Wie sind Deine Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?
Warten und abwarten. Erwarten, durch- und hinterwarten.
Was zeichnet die Kunstszene im Rheinland für Dich aus?
Leidenschaftliche Geselligkeit.
Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?
Seit Oktober ist eine Ausstellung von mir in der Galerie Dix9 in Paris zu sehen. Dort zeige ich neue Arbeiten aus den letzten drei Jahren, bei denen von meiner Seite aus keine optischen Geräte zur Erstellung von technischen Bildern zum Einsatz kamen. Ich habe Bilder über KI gemacht, ohne dabei KI zu benutzen. Dabei teste ich, inwiefern man visuell in den Maschinenraum der digitalen Bildproduktion und -verwertung vordringen kann. Ausgegangen bin ich von Stock-Fotos, bei denen die Arbeitsplätze der Urheber durch KI stark bedroht sind.
Dann habe ich ein eigenes digitales Diffusionsmodell – wie es auch bei den meisten KI-Bildern angewendet wird – aus prähistorischen Bildverarbeitungs-Algorithmen (also älter als 20 Jahre) erstellt. Diese Algorithmen lasse ich gegeneinander antreten, und so werden neue Bilder aus bereits bestehenden errechnet. Da dabei die „eigentliche“ Bildinformation verloren geht, würde ich lieber von einer Zerrechnung der Daten sprechen. Mich interessiert, wie auf solche Bilder geschaut wird, die noch Grundeigenschaften von Fotos haben, keinen Hehl daraus machen, dass sie algorithmisch entstanden sind, aber eben nicht mehr in die Welt da draußen zeigen, sondern nach innen auf ihre technisch-digitale Bildhaftigkeit weisen. Ihr Sein in einem Kosmos aus 1 und 0.
Von wem würdest Du gerne mal ein Interview im Kunstbar Magazin lesen?
David Czupryn, Linda Fregni Nagler, Deganit Berest
Sebastian Riemer (*1982 in Oberhausen, Deutschland) studierte von 2002 bis 2010 an der Kunstakademie Düsseldorf, u. a. in den Klassen Christopher Williams und Thomas Ruff, dessen Meisterschüler er ist. Ein Auslandssemester führte ihn 2006 an die Akademie der schönen Künste in Krakau. Riemer erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Förderpreis des Landes NRW (2015) und die Silbermedaille der schönsten Bücher aus aller Welt der Stiftung Buchkunst (2024). Stipendien und Residenzen führten ihn u. a. nach Tel Aviv, Istanbul und Moskau. Seine Arbeiten wurden international in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, darunter in renommierten Institutionen wie der Hamburger Kunsthalle, dem Israel Museum in Jerusalem, dem Museum Folkwang, dem Kunstpalast in Düsseldorf, der Kunsthalle Düsseldorf, dem Stadtmuseum München und der Biennale für aktuelle Fotografie. Seine Werke sind geprägt von einem konzeptuellen Umgang mit der Materialität und Geschichte der Fotografie.
Der Maler – Jan Holthoff im Gespräch mit Christoph Blank
Jan Holthoff, Atelier, Düsseldorf, 2022
Wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten und warum?
Den Beginn meiner künstlerischen Arbeit an einem bestimmten Augenblick, Ereignis, einem exponierbaren Punkt in meinem Leben festzumachen, ist rückblickend sehr schwer. Ein Prozess hat immer seine Vorbedingungen, beginnt irgendwann, entfaltet und vertieft sich. Die ausgeprägte Angewohnheit, mit Zeichenstift oder Farbe auf der Grundlage von Beobachtung einen Weltzugang herzustellen und die Faszination, über künstlerische Materialien Wirklichkeit zu erzeugen hatte ich schon sehr früh. Schon meine Jugend war durch die Begegnung mit Kunst geprägt, ich kann aber sagen, dass meine Studienjahre an der Akademie in Düsseldorf dabei wohl den wirklichen Anfang der eigenen künstlerischen Arbeit bedeutet haben.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Ich glaube, die Malerei bleibt mir zeitlebens Aufgabe, immer unabgeschlossene und kurze Standortbestimmung, ein Verweilen an einem kurzen Punkt, der sich fortwährend verschiebt. Es gibt dabei aber ein zentrales Selbstverständnis, das sich als Konstante durch meine Malerei zieht, nämlich der Glaube daran, Malerei als ein strategisches Handeln zu begreifen, das ich fortsetze und in dem ich Wirklichkeit und Malerei in meiner Zeit in einer Bilderfahrung zu verhandeln versuche und immer neu erprobe. Wirklichkeit und Bewusstsein in ihrem komplexen ineinandergeflochtenen Zusammenspiel aus Wahrnehmen, Erinnern, Erzeugen und Ausdrücken sind ja Grundlage der gegenstandslosen Malerei, der ich mich zuwende.
Wer oder was beeinflusst Dich? Was inspiriert Dich?
Es gibt natürlich Künstlerinnen und Künstler, die innerhalb des eigenen mentalen Raumes aufblitzen und dann wieder gehen, einen kurz berühren oder entzünden, Weggefährten auf Zeit sind, und es gibt Heroen, die bleiben wie etwa Helen Frankenthaler, auch wenn Sie nicht direkt zu dem mentalen Bezugsrahmen meiner Arbeit gehört. Ich pflege einen regen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen bei Atelierbesuchen, und gelegentlich verspüre ich auch mal Lust, bestimmte Positionen in einem Raum zusammenzubringen, zu installieren, um einer Frage, einer These, die ich im Sinn trage, nachzugehen; dann kuratiere ich auch mal eine Ausstellung. Solche Projekte sind immer ein kurzes Verweilen in einem erweiterten Dialog, der meine Arbeit im Atelier ausdehnt.
Inwieweit haben die Akademie und Deine Professoren Dich und Deine Arbeiten geprägt?
Die Akademie ist ein herausfordernder Ort, jeder muss dort seine eigene Biographie schreiben und seinen ganz eigenen Weg finden. Auch wenn ich eine Malerei entfaltet habe, welche die prozessuale Selbstüberschreitung, darin auch vielleicht das Unsagbare einschließt, so ist doch ein konzeptuelles Fundament, ein bewusstes Mindset, das auf gedanklichem Verstehen und rational bewusster Weiterentwicklung beruht, durch meinen ersten Lehrer Gerhard Merz geprägt. Meine Auseinandersetzung mit dem Informel, dem Abstrakten Expressionismus, die Möglichkeit, auf historisch erarbeitete Vorbedingungen von Malerei bewusst zuzugreifen, diese zu reflektieren und zu aktualisieren ist Ausdruck dieses konzeptuellen Freiheitsdenkens im Zugriff auf alles schon Bestehende. Die Studienjahre bei Helmut Federle waren dann wohl die intensivsten Jahre intellektueller Auseinandersetzung und Bewusstseinsschärfung für die Sensibilität des Ausdrucksmittels Farbe. Mein Sinn für den mentalen Abdruck, den die malerische Spur bedeutet, die Sensibilisierung für Setzungen, das sehende Verstehen und Lesen von bildnerischen Entscheidungen wurden bei Federle in einer faszinierenden Tiefe geradezu trainiert. Zu meinem letzten Lehrer Herbert Brandl, dessen Meisterschüler ich wurde, hatte ich eine kollegial freundschaftliche Bindung. Herbert begegnete uns Studierenden mit Vorsicht, Respekt und auf kollegialer Ebene zwischen dem sehr erfahrenen und dem noch jungen, unerfahrenen Maler. Die sezierende Urteilsschärfe des Gerhard Merz oder Helmut Federle wich einer Zurückhaltung, die einen stärker in die Zweifel der eigenen Innerlichkeit entließ und darauf zurückwarf, was Malerei, was Kunst ist: nämlich letzten Endes eine Behauptung, die ich durchsetzen und die ihre Beweisführung in Werk und in der Zeit antreten muss.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken? Was ist Dein Antrieb als Künstler?
Ich habe kein wirkliches Anliegen, ich möchte auch überhaupt nichts ausdrücken. Ich habe ein zu großes Misstrauen gegenüber allem, was mir etwas glaubhaft erzählen, erklären möchte; und zwar nicht, weil ich das Subjektive ablehne oder verurteile, ich anerkenne das Subjektive aber nur als das was es ist, nämlich Selbstverweis des Subjektes auf seinen eigenen Subjektcharakter, der mich interessiert in seiner Konstitution – auch im Verhältnis zum Außen. Der Zweifel an jeder Finalität ist mir künstlerischer Antrieb zur fortwährenden Selbsterprobung.
Denkst Du die Kunst vom Medium und Material her oder vom Thema?
Das denkende Fortentwickeln meiner Malerei und die vertiefende Materialerfahrung im Prozess sind zwei Facetten, die in meiner Arbeit eine Synthese eingehen. Dies bedeutet Kalkül und auch Zufall zusammenzubringen, reflektierendes Zurücktreten zu ermöglichen und Spontaneität zuzulassen.
Gibt es etwas, das Kunst nicht darf?
Die Kunst ist zu vielfältig, um darauf pauschal zu urteilen. Diese Frage muss jeder Künstler sich in seinem individuellen Arbeitsbereich im Zweifel stellen, und die Gesellschaft muss bei vermeintlichen Grenzüberschreitungen diese Frage im Einzelfall austragen. Kunst kann durchaus subversive Qualitäten entwickeln.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Ich habe keinen Stil, ich mag auch das Wort Stil nicht. Das Wort Stil hat für den Künstler keine Bedeutung: er hat einen Arbeitsbereich, einen Raum der Untersuchung sich eröffnet. Das Wort Stil bezieht sich auf eine zu oberflächliche, vom Wesentlichen ablenkende Bezugnahme auf formalästhetische Wiedererkennbarkeit, ein zu kurz gegriffenes Aha-Erlebnis. Ich denke, dass das Wort Stil ohnehin nur eine rückblickende Bedeutung haben kann, das Gewesene im Rückblick beurteilt. Dieser Rückbezug ist meines Erachtens dem Begriff Stil schon wortimmanent. Der Künstler richtet aber seinen Blick nach vorn, seine Ausrichtung bezogen auf seinen Werkprozess ist also schon in der Blickrichtung eine andere. Kunstwerke entfalten heute auch eine zu große Komplexität und lassen sich in ihrer Diversität nicht mehr zusammenfassen in „Stilrichtungen“, die ja seit dem Ende der Ismen eigentlich in ihrer begrifflichen Legitimation untergegangen sind.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Acrylfarbe, Leinwand, Papier, Pinsel.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Ich male Bilder.
Kaufst Du Kunst?
Ja, ich sammele auch Kunst. Ich habe Papierarbeiten von Tapies, Kricke, Götz, Piene, und ich tausche gelegentlich mit Freunden Arbeiten.
Welche Museen und welche Galerien beeindrucken Dich?
Das Met ist vielleicht das beeindruckendste Museum, das ich kenne, ein zentrales Gehirn unserer westlichen Kultur. Das Guggenheim in NY bin ich immer gerne von oben heruntergegangen. Man kommt in dieser Spiralbewegung in eine meditative Verfassung. Basquiat bei Gagosian war großartig und museal, und das Kunsthaus Bregenz von Zumthor mag ich sehr, vor allem die dortige Ausstellung mit Arbeiten von Helmut Federle brachte Architektur und Kunst auf großartige Weise zusammen.
Ein Künstler, den Du bewunderst oder der Dich beeindruckt?
Christopher Wool
Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht und welche Ausstellung muss man unbedingt sehen?
Ich war zuletzt auf der Museumsinsel Hombroich, die lohnt immer einen Besuch.
Eine typische Angewohnheit von Dir?
Keine Fragen beantworten, bevor ich eine Tasse Kaffee getrunken habe.
Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?
Kaffee, Sport, veganes Frühstück, dann entweder am PC abarbeiten, was ansteht oder Atelier.
Wie sind Deine Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern und Akademie-Absolventen?
Kunst fängt mit der eigenen Arbeit an und nicht mit dem Markt.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt? Und: hat Corona die Kunst, die Künstler, die Galerien, die Institutionen und den Kunstmarkt verändert?
Corona bedeutete eine fast zweijährige Erschütterung, die die gesamte Gesellschaft und unsere Wirtschaft hart getroffen hat, das gesamte System Kunst war genauso betroffen mit wirtschaftlichen Engpässen für alle Beteiligten. Ich denke, dass gesteigerte digitale Präsenz und neu ausgerufene Megatrends wie etwa der Handel mit Rechten an virtuellen NFTs dieser Zeit geschuldet waren. Es kehrt Normalität zurück, und alle machen wieder weiter. Natürlich gibt es Künstler, die sich mit dem digitalen Zeitalter auseinandersetzen, virtuell arbeiten, das ist gut so, das gab es aber auch schon vor Corona. Die Digitalisierung hat für mich als Maler wenig Konsequenzen.
Was zeichnet die Kunstszene im Rheinland für Dich aus?
Das Rheinland (und da nehme ich mal Köln und Düsseldorf zusammen) ist der traditionsreichste Kunststandort in Deutschland und heute neben Berlin und anderen internationalen Metropolen einer der wichtigsten und lebendigsten Kunststandorte mit erstklassigen Kunsthochschulen und einer erfrischend lebendigen und aktuellen Szene.
Wo sind Deine Arbeiten aktuell zu sehen und was kommt demnächst? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?
Aktuell läuft meine Einzelausstellung bei Wittenbrink in München. Nachdem ich gerade zwei Wochen Urlaub in der Schweiz gemacht habe, bin ich nun wieder im Atelier. Meine aktuellsten Arbeiten waren vor wenigen Wochen in der Galerie Ruimte P60 in den Niederlanden unter dem Titel „Deconstructed Landscapes“ zu sehen. Sie werden der Ausgang sein für das, was kommen wird.
Interview und Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach, Jan Holthoff (Galerie Ruimte P60)
Malerei mit Umwegen – Béla Pablo Janssen im Gespräch mit Christoph Blank
„BPJ eignet sich die Welt im Zeichnen und Filmen an, schafft wiederkehrende Motive und verfügt über ein Archiv von Bilderlebnissen, die er auf seine gegenwärtigen Arbeiten ausstrahlen lässt. Poster, Publikationen, Gefundenes oder Objekte erzeugen mit Zeichnungen und Gemälden eine greifbare Vorstellung von einem Künstlerleben. Gleiche Motive tauchen in verschiedenen Zusammenhängen auf, bilden eine visuelle Klammer zu verschiedenen Szenen, die den Bezug zur Person des Künstlers - zum Portrait eines Künstlers und zur realen Person - herstellt.“
Béla Pablo Janssen (BPJ) wurde 1981 in Köln geboren, wo er heute lebt und arbeitet. 2012 Abschluss als Meisterschüler bei Walter Dahn, Klasse Malerei, HBK Hochschule für bildende Künste Braunschweig; 2018 Penthouse Art Residency in Brüssel; 2018 – 2019 the ART foundation, Tokyo, THE SUN IS RISING BEHIND ABSTRACTION; 2020 Kunststiftung NRW, Visuelle Kunst, Künstlerbuch BÉLA PABLO. Ende April haben wir BPJ in seinem Studio in Köln zum Gespräch getroffen.
Wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten?
Ich habe nie aufgehört. Das es Kunst ist, was ich da mache, habe ich mit 28 Jahren für mich entschieden. Und dann fingen die Bredouille und der Spaß erst richtig an. Meine Entscheidung für die Kunst, hieß für mich mit meinem vollen Namen zu veröffentlichen und ins eigene Atelier zu gehen. Ohne Pseudonyme, ohne die Stärke und Verantwortung in den Künstlergruppen und Aktionen, die seit meinem Studium in Hamburg für mich wichtig waren. Es war aber kein drop out aus Kollaborationen aber eine wesentliche Entscheidung für alles ab 2009.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Ich erzähle, dass es für mich künstlerisch gesehen gar keinen Sonnenaufgang gibt. Wenn man mir nicht glaubt, versuche ich es anders und behaupte, dass “morgens nie endet”. Spätestens dann bin ich in der Erklärungs-Bredouille. Und um da heraus zu kommen, fangen wir hoffentlich an zu lachen oder zeichnen uns den Weg zum Verständnis auf Papier.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Ich habe von meinen Eltern und Freunden früh Unterstützung erhalten. Meine Eltern und mein Umfeld haben mich inspiriert. Wenn meine Ideen und Vorstellungen nicht gefruchtet hätten, wäre es eher ein Kampf als ein Tanz mit der mich umgebenden Welt geworden. Und ich tanze lieber als zu kämpfen. Was wiederum nicht heißt, dass ich mein Schaffen nicht stetig reflektiere und hinterfrage.
Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?
Porridge frühstücken. Ungefähr um 10 Uhr morgens im Studio. Den Anschluss zum Vortag hinbekommen. Beim Arbeiten mit Sascha Hohn aka Block Barley über Lautsprecher am Telefon sprechen. Mittags auf dem Melaten Friedhof schreiben, schnitzen oder lesen. Ich esse spät. Erst Nachmittags. Béla à la meng: Kartoffel, Möhre, Ei und Moringa. Gegen 18 – 20 Uhr im Atelier Besuch bekommen. Dienstags besuche ich meinen Vater auf seinem Marktstand und schaue danach bei König im Schaufenster Buchtitel.
Wer oder was hat Dich beeinflusst? Was inspiriert Dich?
Es ist vielleicht dem zurückliegenden Winter und der Zurückgezogenheit der Jahre 2020/21 geschuldet, dass ich auf eine Filmdokumentation (1) hinweise, die mich zuletzt ungemein inspiriert hat. Die Propriozeption (2), hört sich ganz schön sperrig an, hat aber mit meinen Bildern oder mit dem was mich inspiriert, viel zu tun. Wenn Marguerite Duras ihre Protagonisten in ihrem Film India Song (3) sagen lässt, dass Langeweile wohl etwas mit der Erdanziehungskraft zu tun habe, dann fühle ich mich gedanklich zu Hause. So heißt dann auch mal eine Arbeit oder die Solo Show 2019 von mir in der GALERIE ALBER “Schwerkraft als Problem der Malerei”. Und Malerei ist hier eine Referenz auf Kunst und Kunst eine Referenz auf was? Wie ich eben sagte, da fangen die Bredouille und der Spaß erst richtig an.
Was ist Dein Antrieb als Künstler?
Dieses eine Anliegen, der eine Antrieb oder den Ausdruck gibt es für mich nicht. Das sind ja die Bredouille und der Spaß. Ich habe zuletzt eine mögliche Antwort von Gilles Deleuze an Serge Daney, auf die Frage, warum die Zahl 3 in seinen Analysen so häufig auftaucht, entdeckt. Er vermutet dort: “Vielleicht weil 3 manchmal alles schließt und 2 auf 1 zurückfließen lässt, manchmal dagegen 2 fortreißt und fern der Einheit fliehen lässt, öffnet und rettet.“ (4)
Das hat mich bestärkt, weil es auf die Bewegung hinweist und meinem Begriff von Kunst hier im Sinne der Filmkritik sehr nahekommt. Nur damit es klar wird, ich transkribiere während des Denkens und in Gesprächen meine Arbeit. Meine Übersetzung ist nur eine von vielen Übersetzungen.
Eine typische Angewohnheit von Dir?
Improvisierend. Mir eine Arbeitsgrundlage schaffen.
Denkst Du die Kunst vom Medium und Material her oder vom Thema?
Marshall McLuhan lies den eigentlichen Buchtitel “the medium is the message” auch als “the medium is the massage” gelten (5), obwohl es ein Druckfehler war. Vielleicht sein populärster Satz überhaupt. Hier kommt alles zusammen. Thema: Medientheorie, Material: Buchdruck und Medium: Beides. Plus dem Zufall zwischen beidem.
Gibt es etwas, das Kunst nicht darf?
Ja! Kunst darf den Zufall nicht ausschließen.
Inwieweit haben Akademien und Professoren Dich und Deine Arbeiten geprägt?
In Hamburg war das Künstlerhaus Wendenstrasse 45 genauso wichtig wie Professorin Anke Feuchtenberger (6) und Professor Asmus Tietchens (7), beide an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften. 2008 bis 2010 war ich in der Freien Klasse der Universität der Künste in Berlin. Dort luden wir uns Künstlerinnen und Künstler ein und diskutierten und schafften ohne Professur. Unter “Mama Akademia” könnte man meine Kindheit und Jugend beschreiben; der Kreis um meine Mutter herum. Die Hip-Hop-Akademie hat für mich mit 13 Jahren angefangen, was zu frühen Sprachkenntnissen, nächtlichen Wanderungen, Wandtafelbildern und Mixtapes führte.
Ich will sagen, dass die Akademien und Professoren nicht immer Aufschluss geben. Das Umfeld ist viel entscheidender. Problematisch finde ich auch die Fragestellung, also die einseitige Prägung hervorzuheben.
Nach Sister Corita Kent und John Cages Regelwerk Rules (8) heißt es sehr schön: Rule One: Find a place you trust, and then try trusting it for a while. Rule Two: General duties of a student — pull everything out of your teacher; pull everything out of your fellow students. Rule Three: General duties of a teacher — pull everything out of your students.
Meinen Abschluss als Meisterschüler in Malerei habe ich in Walter Dahns Klasse 2012 in Braunschweig gemacht. Wir kannten uns über das ComeTogether Projekt in Köln. Ich wollte zu ihm in die Klasse. Walter sagte zu mir, ich würde bei ihm bloß noch fertigmachen. Das wir dann gemeinsam mit Thomas Wachholz von Köln hin und her fuhren und Walter später ein Atelier mit Jan-Paul Evers und mir teilte ergab sich aus dem gemeinsamen Arbeiten. Walter ist ein sehr guter Lehrer gewesen und vertrauter Freund geblieben. Mit ihm konnte ich ab 2010 meine neuen Fragen an die Kunstwelt mit all ihrem Spaß und ihrer Bredouille teilen. Vielleicht hat sich bei mir, durch Walter Dahn, zuletzt so etwas wie ein poetischer Konzeptualismus bestärkt.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Malerei mit Umwegen, um es wirklich kurz zu fassen. Jedes weitere Detail will in meinen Arbeiten entdeckt werden um nicht ins Aufzählen zu verfallen.
Kaufst Du Kunst?
Ja! Vom Kölnischen Kunstverein die Editionen und auf Reisen mal ein Blatt oder einen Kunstkatalog. Ich mache auch gerne Tauschgeschäfte und Kollaborationen mit Künstlerinnen und Künstlern. Dadurch besitze ich einige Arbeiten von Basile, Dahn, Król, Meiré, Wachholz, Wohnseifer, Zenses, etc.
Welches Museen und welche Galerien beeindruckt Dich?
Haus der Kulturen der Welt (HKW), Kolumda in Köln, BQ Berlin, Babara Wien Berlin, Sprüth Magers, Museumsinsel Hombroich, David Zwirner (NYC), Mizuma Art Gallery (Tokyo)
Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht?
2021: Lutz Mommartz (Kunstahalle Düsseldorf), 2020: Dynamische Räume und John Dewey, who? (M. Ludwig, Köln); Spielstrasse München 1972 (Skulpturen Museum Glaskasten Marl); Aby Warburg: Bilderatlas Mnemosyne (HKW, Berlin); Hubert Fichte: Liebe und Ethnologie (HKW, Berlin), 2019: Jetzt! Junge Malerei in Deutschland (Kunstmuseum Bonn), 2018: Chris Maker (BOZAR, Brüssel)
Künstler und Künstlerinnen, die Dich beeindrucken?
Chris Maker, Rosemarie Trockel, Bas Jan Ader, Marguerite Duras, Arthur Jafa, Kasimir Malevitsch, Claude Monet, Lee Lozano, Jean Cocteau, Agnès Varda, Michel Mouffe, Pina Bausch, Rei Kawakubo, James Baldwin, Francis Bebey, Tadao Andō, Georges Adéagbo, Maya Deren, etc.
Wie sind Deine Erfahrungen im Kunstmarkt? Hast Du einen Rat für junge Kollegen und Kolleginnen?
Lange hatte ich keine Anbindung an den Kunstmarkt und seine Protagonisten und Protagonistinnen. 2014 mit meinen Galerievertretungen in Paris und Brüssel habe ich Anschluss gefunden. Fünf Jahre später und bis heute erfolgte dann die enge Zusammenarbeit mit Denisa und Marco Alber in der GALERIE ALBER in Köln. Seit 2014 pflege ich Kontakte zu Freunden und Sammlern, die mir eine Arbeitsgrundlage im Austausch von Arbeiten ermöglichen. Zusätzlich zu den Verkäufen über meine Galerie. Mein Rat: Tritt der richtigen Person, zur richtigen Zeit gegen das Knie. So bleibst Du schnell in Erinnerung. Was Du dann daraus machst, bleibt Deiner Verantwortung überlassen.
Was zeichnet die Kunstszene im Rheinland für Dich aus?
Ein Grund 2008 aus Berlin wieder nach Köln zurück zu kommen, war die Nahbarkeit der Szene hier in Köln. Also Künstler und Künstlerinnen, die in Köln unterwegs und offen für Gespräche, aber auch international oder überregional sichtbar sind. Das hat sich für mich auch wieder geändert, warum ich dann ab 2014, wieder viel in Brüssel, Berlin, Paris und an anderen Orten bin, also zu dem wurde was ich in Köln suchte.
Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?
Aktuell ist meine zweite Soloshow “morgens endet nie” bei GALERIE ALBER in Köln mit neuen Bildern zu sehen. Hinzu kommen eine Duo Ausstellung mit Tom Król auf Ibiza und in Hamburg im Kunstraum Studio45 eine Tapemosphere (9) mit Block Barley und Balz Isler. Im Grouven Atelier auf einem Bauernhof, bei Ira Bartel, arbeite ich an einer großen Sammlung von abgerissen und gesammelten Plakaten unter dem Arbeitstitel “Anarchive 2021 – 2008”.
Galerie Alber, Installationsansichten, 2021
Interview: Christoph Blank
Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Unser geheimer 6. Sinn, Regie: Vincent Amouroux, 2019, Frankreich, ARTE F: https://www.arte.tv/de/videos/073879-000-A/unser-geheimer-6-sinn/
Propriozeption: https://de.wikipedia.org/wiki/Propriozeption
India Song: https://www.youtube.com/watch?v=laUM85wOcPA
Gilles Deleuze an Serge Daney. In: Serge Daney, Cine-Journal, Vorwor, Edition Cahiers du cinéma. S. 117 in Gilles Deleuze, Unterhandlungen 1972-1990, edition suhrkamp
the medium is the massage: https://www.klett-cotta.de/buch/Tropen-Sachbuch/Das_Medium_ist_die_Massage/15902
Anke Feuchtenberger: http://www.ankefeuchtenberger.de/die-skelettfrau/
Asmus Tietchens: https://de.wikipedia.org/wiki/Asmus_Tietchens
Sister Corita Kent und John Cage Regelwerk Rules: https://improvisedlife.com/2018/08/01/10-enduring-rules-creative-life-sister-corita-kent-john-cage/
Tapemosphere: http://tapemosphere.org/
I Like to See the Candle Burning at Both Ends – Ein Gespräch mit Jochen Mühlenbrink
Jochen Mühlenbrink (*1980, Freiburg) beginnt sein Studium 2001 an der Kunstakademie Düsseldorf und absolviert dieses 2007 als Meisterschüler von Markus Lüpertz. Seitdem ist sein Werk in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen, darunter: Kunstmuseum Solingen, Bundeskunsthalle, Bonn, KIT, Düsseldorf, Kunsthalle Osnabrück, Morat-Institut, Freiburg, Osthaus Museum Hagen, Kunsthalle Wilhelmshaven, Kunsthal Rotterdam, Museum Het Valkhof, Nijmegen und Arti et Amicitiae, Amsterdam. Seine Arbeiten befinden sich in diversen privaten und öffentlichen Sammlungen, u.a.: G2 Kunsthalle, Leipzig, Stadtmuseum Oldenburg, Deutsche Bundesbank, NATIONAL-BANK, SCHUNCK Museum, Heerlen oder De Groen Fine Art Collection, Arnhem. 2020 erscheint mit JM im Kettler Verlag seine siebte Monografie. Mühlenbrink lebt und arbeitet in Düsseldorf und Oldenburg.
Wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten und warum? Wann hast Du Dich das erste Mal mit Kunst beschäftigt?
Gezeichnet und gemalt habe ich schon immer. Mein Großelternhaus war voller wunderlicher Dinge, Bilder über Bilder, Skulpturen und Bücher bis unter die Decke. Das hat mich als Kind schon verzaubert. Mein Großvater Paul Gräb war großer Freund vieler Künstlerinnen und Künstler, er hatte ihnen für sein eigenes Lebenswerk als Pfarrer ausgesprochen viel zu verdanken. Sie gingen ein und aus, auch sie waren sehr großzügig zu ihm, das hat mich alles schwer beeindruckt. Seine Verehrung für Kunstschaffende hat ganz sicher stark auf mich abgefärbt. Zumindest viel stärker als seine wohlmeinende aber vehemente Warnung vor einer ungesicherten Existenz als freischaffender Künstler. Für mich gab es aber keine Alternative. Mein Oeuvre beginnt 2003.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Spielstraße, Feldweg, Landstraße, Graben, Führerschein und ab auf die Autobahn. Mal verpenn’ ich die Ausfahrt, und heize in die falsche Richtung, dafür wird super getankt. Immer mal wieder im Stau hier und da mal ’ne Panne, aber noch nie ein Totalschaden, zum Glück. Die Karre läuft.
Inwieweit haben die Akademie und Deine Professoren Dich und Deine Arbeiten geprägt?
Im Vorstudium habe ich bei Peter Kleemann studiert und den Austausch mit Dieter Krieg gesucht, der dann leider aufhörte. Zum Hauptstudium bin ich zu Markus Lüpertz gegangen, dessen Klasse ich dann als Tutor leitete. Kolloquien mit Siegfried Anzinger habe ich auch sehr geschätzt und für die Strenge habe ich den Austausch mit Helmut Federle gesucht. Sicher prägt einen die Studienzeit noch mehr, als man denkt, vor allem durch die Bekanntschaften, Begegnungen, Freundschaften, durch den Austausch mit Studienkolleginnen und -kollegen.
Wer oder was hat Dich beeinflusst? Was inspiriert Dich?
Mich wundert das Sichtbare der Welt. Aber dadurch habe ich eigentlich mehr mit dem Unsichtbaren zu tun. Eine Inspiration kann sich in Allem zeigen und gleichzeitig nicht so wichtig sein. Meistens finde ich Motive auf den Nebenschauplätzen des Lebens, an den Rändern des Sichtfeldes, in der Peripherie der alltäglichen Wahrnehmung.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken? Was ist Dein Antrieb?
Ich strebe nach nichts. Ich bemühe mich um Passivität. In mir brodelt eine kreative Wut, die muss ich bändigen. Nicht mich antreiben.
Denkst Du die Kunst vom Medium und Material her oder vom Thema?
I like to see the candle burning at both ends.
Gibt es etwas, das Kunst nicht darf?
Nein, die Kunst darf alles. Aber sobald diese Freiheit angefasst und falsch hochgehalten wird, kann sie missbraucht sein und wenn Kunst instrumentalisiert wird, dann kann es gefährlich werden. Oder dumm.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Weglassen. Und zur Not: auch diese Regel.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Ganz unterschiedlich, ob organisch oder synthetisch. Öl oder Acryl, Natur- oder Kunstharz auf Leinwand, Holz, Pappe, Aluminium oder Bronze. Das hängt vom Werkzyklus ab, in dem ich gerade stecke, alles was brennt und mich interessiert. Und die Langlebigkeit des Materials ist mitentscheidend.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Ich untersuche das Sehen. Und ich kümmere mich darum wie um ein Kind. Ich begleite es, wie es lernt zu denken und zu fühlen. Auch wenn es mal wieder nicht auf mich hört – ich freue mich, dass es auf der Welt ist.
Kaufst Du Kunst?
Ja, schon immer. Damals mein Großvater, jetzt viele Freunde und Bekannte leben mir vor, dass man auch mit kleinem Budget ganz wunderbar in und mit der Kunst leben kann.
Was zeichnet die Kunstszene im Rheinland für Dich aus?
Eine unglaublich große Dichte an Museen, Kunstvereinen, Galerien und Projekträumen und das hohe Niveau.
Welches Museum und welche Galerie beeindruckt Dich?
Viele.
Gibt es Künstler, die Du bewunderst?
Viele.
Welche Ausstellungen hast Du zuletzt besucht?
Zu wenig.
Eine typische Angewohnheit von Dir?
Zu viel.
Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?
Nein, den einen typischen Tag gibt es nicht. Meinen biologischen Rhythmus verschiebe und wechsle ich regelmäßig. Mal bin ich ein Tagmensch, mal ein Nachttier.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt?
Direkt spielt das Digitale für meine Kunst keine Rolle. Meine Fragestellungen zu Malerei und Ihrer Darstellung sind vor dem Original im realen Raum anschaulicher. Wie sich Veränderungen der Digitalisierung auf unsere Wahrnehmung auswirken, ist interessant – da bin ich ganz in der Rolle des Beobachters. Passiv.
Inwiefern verändert Corona die Kunst, die Künstler, die Galerien, die Institutionen und den Kunstmarkt?
Der Schaden für die ganze Kulturbranche ist bestürzend. Wie lange kann eine lebendige Kulturszene die Einschnitte und Einschränkungen aushalten? Wir als Gesellschaft – und ich appelliere an die Politik – sind in der Verantwortung, unsere Kulturlandschaft und ihre Häuser zu retten. Die Kunst selber kann nicht eingeschränkt werden. Sie spiegelt allenthalben die Schranken, die Not und die Gefahr wider. Ihre Quelle ist eine andere und gerade in Zeiten einer existenziellen Bedrohung hat sie oft ihr höchstes Potenzial. Zudem wird sie von außen besonders gebraucht – nicht nur um Visionen zu geben, vielen auch Trost und Hoffnung, sondern allein, um für die Ewigkeit Zeuge zu sein: für eine schwere Zeit aus der Sicht einer schwierigen Spezies auf einem erstaunlich schönen Planeten.
Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?
Neue Arbeiten zeigt meine Galerie ASPN auf der Art Rotterdam 2021 (1. bis 4. Juli). Ab Herbst freue ich mich auf meine fünfte Soloshow bei Gerhard Hofland in Amsterdam, dazu kommen Gruppenausstellungen unter der Leitung von Burkhard Brunn “Über den Schatten” und folgend “Über das Verschwinden” in Köln, Berlin und Antwerpen. Außerdem eine Gruppenausstellung im Le SHED, Centre d'art contemporain de Normandie, kuratiert von Bruno Peinado. Nach “Fragil” (2013) und “Falz” (2018) bereite ich gerade meine dritte Solotournee vor. Sie startet 2023 im Museum Bensheim in Hessen.
Interview: Kasia Lorenc, Christoph Blank
Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Der Wurzler, der sich in Hörbüchern verliert – Ein Gespräch mit Johanna Flammer
Johanna Flammer, Jahrgang 1978, lebt und arbeitet in Düsseldorf. Von 2006 bis 2010 hat sie an der Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse Martin Gostner studiert. Seit 2010 ist sie Assistentin von Imi Knoebel. Sie ist Dozentin der Kunstakademie Allgäu und hat einen Lehrauftrag für Malerei an der Hochschule Düsseldorf. Sie ist Gewinnerin des Blooom-Award der ART FAIR Cologne (2012) und erhielt im Jahr 2020 den Phönix Kunstpreis. Wir haben Johanna Flammer in ihrem Atelier in Düsseldorf besucht.
Wann hast Du Dich das erste Mal mit Kunst beschäftigt?
Gemalt habe ich eigentlich schon immer gerne. Ich hatte das Glück, dass meine Kunstlehrer mich unterstützt und ermutigt haben mehr aus meinem Talent zu machen. So fand ich schnell Gefallen am künstlerischen Arbeiten und nutzte unseren Keller, um meine ersten großen Bilder zu malen. Ich wusste im Alter von 15 Jahren schon, dass ich meinen Weg gefunden habe.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Irgendwie verlief mein Weg nie gerade. Ich bekam viele Absagen an Kunsthochschulen und musste dann erst einmal auf einer privaten Akademie studieren, wofür ich jetzt im Nachhinein sehr dankbar bin. Dort konnte ich Vieles entspannt ausprobieren, was so an der Kunstakademie nicht möglich gewesen wäre. Durch all meine Lehrer und Mitstudenten, die mir wertvolle Tipps und Inspirationen mitgegeben haben, bin ich dann weiter meinen Weg gegangen. Es war nicht immer leicht, aber konsequentes Arbeiten, Neugierde und Experimentieren haben dann am Ende geholfen meine eigene Sprache zu finden.
Was inspiriert Dich?
Alles was ich sehe beeinflusst mich ebenso, wie Personen denen ich begegne. Wer mich gut kennt, kann das in meinen Arbeiten lesen.
Inwieweit hat das Studium an der Kunstakademie Dich und Deine Arbeiten geprägt?
Das Beste was meine Lehrer tun konnten, war, mich einfach machen zu lassen. An der Akademie habe ich erst gemerkt, wie steinig der Weg eines Künstlers werden kann. Aber das hat mich noch mehr angespornt.
Was möchtest Du künstlerisch ausdrücken?
Ich habe meine Sprache gefunden, um mich mitzuteilen. Meine Arbeiten lassen Emotionen und Eindrücke sichtbar werden, die ich nicht in Worte fassen kann.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Es gibt einerseits eine klare, kontrollierte Abfolge in der Entstehung einer Arbeit. Malerei, Collage, Zeichnung werden nacheinander zusammengefügt und ergeben am Ende eine Einheit. Andererseits ist auch der temporäre Kontrollverlust wichtig, um dem Zufall Raum zu geben.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Ich bin ein großer Fan vom Materialmix. Da gibt es keine Grenzen. Allerdings hat sich in meiner Malerei Papier und Stift bewährt.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Ich bin vor einiger Zeit auf den Begriff “Wurzler” gestolpert. Das Wort finde ich genau richtig, um meine Bilder zu beschreiben.
Sammelst Du Kunst?
Ich besitze einige Bilder von Künstlerfreunden, da ich es toll finde, einen Teil ihrer Ideen zu besitzen. Mein erstes gekauftes Bild ist von Juliane Hundertmark, das ich auf einer Kunstmesse entdeckt habe. Hierauf arbeitet sie auch mit Collage und hat der darauf abgebildeten Familie dicke rote Lippen verpasst. Das Bild heißt “auf dem Land” und erinnert mich an meine Heimat, wo viel gelacht wird.
Welche Galerie beeindruckt Dich?
Mich beeindruckt nicht direkt eine Galerie. Es sind vielmehr die Dimensionen, die große Galerien angenommen haben. Ich hoffe, es geht da noch um die Kunst.
Ein Künstler, den Du bewunderst?
Es gibt nicht viele Künstler, die mich beeindrucken. Aber Bewunderung geht auf jeden Fall an die Künstler, die nach vielen Jahren künstlerischen Schaffens auf ein großes und erfolgreiches Lebenswerk zurückblicken können. Da ich seit Jahren für Imi Knoebel arbeite, habe ich ein gutes Beispiel zur Hand, da ich auch noch bei seiner Arbeit helfen und zugucken darf.
Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht?
Zuletzt war ich beim DC Open Wochenende in Düsseldorf und habe mir verschiedene Ausstellungen in den Galerien angesehen. Zu empfehlen war auch die Ausstellung “Kausalkonsequenz” von Alicja Kwade in der Langen Foundation.
Eine typische Angewohnheit von Dir?
Ich höre gerne Hörbücher bei der Arbeit.
Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?
Bei mir sieht jeder Tag anders aus. Im Idealfall gehe ich um 09:00 Uhr eine Runde um den Unterbacher See, danach frühstücke ich und gegen 11:00 Uhr bin ich dann im Atelier. Um in die Arbeit zu kommen entstehen erst einmal ein paar Skizzen, bevor es dann an die große Leinwand geht. Wenn ich ein bisschen Abstand zum Bild brauche, gehe ich an meine Töpferscheibe und drehe ein paar Sachen, z. B. Tassen oder Schalen. Danach bin ich wieder zentriert. Gegen 19:00 Uhr mache ich Feierabend.
Wie sind Deine Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern?
Jeder Künstler hat seinen eigenen, individuellen Weg auf dem Kunstmarkt. Da kann ich wenig Ratschläge geben. Es gibt gute und schlechte Zeiten. Wer Glück hat, gerät an Galerien, die ihre Arbeit verstehen. Wenn nicht, einfach stur weitermachen. Auch ich habe gemerkt, wie unberechenbar der Kunstmarkt ist, und bin froh, dass ich mir mehrere Standbeine aufgebaut habe, die solche Zeiten auffangen.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt?
Die Digitalisierung macht den Kunstmarkt schneller, konsumierbarer und unberechenbarer. Ich weiß nicht welche Möglichkeiten sich noch in der digitalen Kunst ergeben, da dies für mich ein unbekanntes Feld ist. Aber demnächst werde ich genau diese Fragen in einem Projekt mit meinen Studenten erarbeiten, und dann könnt ihr euch gerne die Ergebnisse anschauen.
Inwiefern verändert Corona die Kunst, die Künstler und den Kunstmarkt?
In meinem Umfeld gab es die unterschiedlichsten Reaktionen auf die Corona-Veränderung. Ich denke, dass der Stillstand im Frühling des Jahres 2020 eine gute Zeit war, um zur Ruhe zu kommen und zu reflektieren. Auch ist es spannend, nach Alternativen im Kunstmarkt zu suchen und den Markt neu zu gestalten. Mir ist bewusst, dass viele Künstler und Galerien verunsichert sind und nicht wissen wie es finanziell weitergeht. Dennoch sehe ich auch die Möglichkeit zu einer positiven Veränderung. Ich denke, dass wir in der nächsten Zeit eine ehrlichere und emotionalere Kunst aus den Ateliers bekommen werden.
Was zeichnet die Kunstszene in Düsseldorf und Köln für Dich aus?
Ich mag die Dichte an kulturellen Möglichkeiten im Rheinland, die trotz der Menge noch überschaubar ist. Die DC Open bilden hier den Höhepunkt im Jahr, wo viele junge Künstler entdeckt werden können. Die Kunstakademie ist hierfür natürlich auch eine wichtige Adresse.
An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du aktuell?
Zur Zeit läuft meine Ausstellung mit Paul Schwer in der Neuen Galerie Gladbeck. Hierfür habe ich vor kurzem mein bisher größtes Bild fertig gestellt – ein Kraftakt. Parallel dazu habe ich meine zweite Monografie “Heimatblau” veröffentlicht. Neben meiner täglichen Arbeit im Atelier, konzipiere ich zur Zeit ein Projekt mit Studenten von mir, das sich mit der Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt beschäftigt. Es gibt also genug zu tun.
Interview und Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Buy selected works by Johanna Flammer
Form follows function – Ein Gespräch mit Morgaine Schäfer
Morgaine Schäfer, Jahrgang 1989, lebt und arbeitet in Köln. Von 2010 bis 2017 hat sie an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. 2017 erhielt sie den Bergischen Kunstpreis und den Ehrenhof-Preis, 2018 den Förderpreis des Landes NRW. Wir haben die Meisterschülerin von Christopher Williams in ihrem Kölner Studio getroffen.
Wann hast Du angefangen als Künstlerin zu arbeiten? Wann hast Du Dich das erste Mal mit Kunst beschäftigt?
Einen Zeitpunkt, wann ich angefangen habe als Künstlerin zu arbeiten, kann ich so gar nicht bestimmen. Ich habe mich schon seitdem ich denken kann, mit Kunst beschäftigt. In der Schulzeit habe ich mit einer Installations- / Sound-Arbeit an einem Kunstwettbewerb teilgenommen. Sie sollte ein Abbild meines pop-kulturellen Umfelds sein und so gleichzeitig mehrere Referenzen abbilden. Vielleicht zählt das als eine Art Startpunkt, auch wenn ich damals noch nicht daran gedacht hatte, Kunst zu studieren.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Ich habe unglaublich viel technisch ausprobiert bis mich meine Kommilitonen danach gefragt haben, was mich eigentlich daran interessiert. Wobei die Frage viel allgemeiner war: Was interessiert mich in der Welt? Daraufhin ist die erste Selbstporträtarbeit mit dem Dia in der Hand entstanden. Das ist natürlich ein bisschen Nabelschau. Aber es geht viel mehr um die Erkenntnis, dass ich an Geschichte, Erinnerungen und an Einflüssen interessiert bin, die unsere Gesellschaft und jedes Individuum beeinflussen. Und warum nicht exemplarisch bei einem selbst anfangen?
Was inspiriert Dich?
Der tägliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunden und Familie beeinflusst und inspiriert mich immer wieder auf neue Arten und Weisen.
Inwieweit haben die Akademie und Dein Professor Dich und Deine Arbeiten geprägt?
Die Akademie und mein Professor haben vor allem meine Arbeitspraxis geprägt. Also das “Wie” anstatt das “Was”. Es gibt zwei Aussagen, die konstant mein Studium begleitet haben: Sei wie ein Schwamm und nimm alles an Wissen auf, was du kannst. Nutze mich (Professor) und deine Kommilitonen als “sounding board”.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst?
Ich möchte mit meinen Fotografien und Installationen zum Nachdenken über identitätspolitische Themen anregen. Welche Auswirkungen haben Einflüsse wie Kultur, Religion, Familienstruktur und Politik auf Identität? Wie kann ich die damit verbundene Emotionalität darstellen und zwischen subjektivem Affekt und objektiver Betrachtung vermitteln? Mein Anspruch an meine Fotografie und meine Installationen ist es, diese gesellschaftlichen und kulturellen Einflüsse und Themen darzustellen. Sie sollen dazu anregen, sich mit Herkunft, Geschichte und Rolle auseinanderzusetzen. Denn ich finde es sind Themen, die tief in unserem individuellen und gesellschaftlichen Denken und Handeln verankert sind.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Form follows function?
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Ich arbeite vorzugsweise im Medium Fotografie, aber auch an Objekten, die für sich stehen und in meinen Installationen einen diskursiven Raum eröffnen. Ich mag es, mit Stoff und Metall zu arbeiten. Durch ihre Haptik und Beschaffenheit eröffnen sie für mich Assoziationen zu Privatheit und Öffentlichkeit.
Gibt es ein Werk, in das Du besonders viel investiert hast?
Für meine Ausstellung “A Touch Of Light” 2018 in der Galerie Fiebach Minninger, habe ich einen sechsteiligen, je 3 x 3 m Vorhang genäht - das war körperlich sehr energieintensiv.
Sammelst Du Kunst?
Ja, ich sammle hauptsächlich von Kolleginnen und Kollegen. Die meisten Arbeiten sind durch Tauschen oder Schenken in meinen Besitz gekommen. Ich kaufe aber auch ab und an Editionen.
Welches Museum beeindruckt Dich?
Am besten kennt man die Museen vor der eigenen Haustür, die einen immer wieder aufs neue beeindrucken. Ich lebe seit etwa drei Jahren in Köln und besuche seitdem regelmäßig das Museum Ludwig. Neben den guten Wechselausstellungen finde ich es interessant zu sehen, wie sich das Haus in kleineren Präsentationen immer wieder kritisch mit seiner Sammlung auseinandersetzt. Zum Beispiel Ende 2019 die Gegenüberstellung von Otto Müller und Peter Nestler.
Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht?
Im Sommer habe ich immer wieder sehr viel Zeit in der Ausstellung “Dynamische Räume” von Romina Dümler im Museum Ludwig in Köln verbracht und seit einigen Wochen hat die Neupräsentation der zeitgenössischen Kunst “John Dewey, who?” im Museum Ludwig geöffnet.
Installationsansicht, Ausstellung “A Touch Of Light”, Galerie fiebach, minninger Köln, 2018, Foto: Martin Plüddemann
Installationsansicht, Ausstellung “Stiftungspreis Fotokunst 2020: Gegenwart | Erinnerung”, Kunstwerk Sammlung Klein Eberdingen-Nussdorf, 2020, Foto: Morgaine Schäfer
Eine typische Angewohnheit von Dir?
Wochenlanges Reden über Ideen und Skizzen mit Freunden bevor ich einen Dummy erstelle oder mich an die Produktion mache.
Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?
So einen richtigen typischen Arbeitstag habe ich eigentlich nicht. Ich arbeite in verschiedenen Phasen. Teilweise lese und recherchiere ich wochenlang. Dann gibt es Wochen, in denen ich viel ausprobiere. Wenn es dann an die Produktion oder eine Ausstellung geht, fällt daneben auch sehr viel Büro- und Organisationsarbeit an.
Wie sind Deine Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?
Jeder muss eigene Erfahrungen sammeln. Aber ich empfehle, sich spätestens mit dem Abschluss des Studiums mit dem Thema Selbstständigkeit auseinanderzusetzen. Denn Rechnungen schreiben, Versicherungen, Altersvorsorge und Einkommensteuer gehören genauso zum Arbeitsalltag wie die künstlerische kreative Arbeit im Atelier.
Was zeichnet die Kunstszene in Düsseldorf und Köln für Dich aus?
Es gibt ein breites Angebot an Museen, Galerien, Kunstvereine, Off Spaces, die ein tolles und vielschichtiges Programm auf die Beine stellen. Daneben gibt es großartige Initiativen, wie z. B. And She Was Like Bäm oder das Landesbüro für Bildende Kunst kurz “LaB K”.
Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?
Aktuell sind Arbeiten von mir in der Gruppenausstellung “Gegenwart / Erinnerung” im Kunstwerk Sammlung Klein in Eberdingen-Nussdorf zu sehen. Im Rheinland werde ich im November mit der Galerie fiebach, minninger auf der Art Cologne neue Arbeiten zeigen – sofern sie coronabedingt nicht kurzfristig ausfällt.
Interview und Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Buy selected works by Morgaine Schäfer
Detail (Sisters)
17 x 21 cm (ungerahmt)
Auflage: 10 – erhältlich: Nr. 3, 4, 5
300 EUR
Was die Welt im Innersten zusammenhält – Angelika J. Trojnarski im Gespräch mit Christoph Blank
Angelika J. Trojnarski, 1979 in Polen geboren, lebt und arbeitet in Düsseldorf. Von 2006 bis 2009 studierte sie an der Kunstakademie Düsseldorf bei Jörg Immendorff, Markus Lüpertz, Herbert Brandl und wechselte 2010 zu Andreas Gursky in die Klasse für Freie Kunst. Bei ihm schloss sie 2013 ihr Studium als Meisterschülerin ab. Internationale Arbeits- und Recherchestipendien prägen ihren Lebenslauf. Wir trafen Angelika J. Trojnarski in ihrem Düsseldorfer Studio zum Gespräch.
Inwieweit haben die Akademie und Deine Professoren Dich und Deine Arbeiten geprägt?
Ich hatte das Glück in vielen Klassen und folglich sehr unterschiedlichen Welten und Konstellationen zu studieren. Ich begann bei den Malern Jörg Immendorff, Markus Lüpertz, Herbert Brandl und war die letzten Jahre meines Studiums beim Fotografen Andreas Gursky. Ich kann für keine Klasse einzelnen Beispiele destillierter Erfahrungen aufzählen, aber ich kann sagen, dass bei all meinen Professoren die Botschaften, Lehrmethoden und Klassensubstanz nicht hätten verschiedener sein können. Diese Varietät ließ mich früh erkennen, dass Kunst unterschiedliche und doch gleichberechtigte, relevante Standpunkte haben kann, darf und soll.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?
Als Künstlerin bin ich wie eine Wissenschaftlerin auf der Suche nach einem tieferen Weltverständnis. Wissenschaftler sind Künstler und Künstler sind Wissenschaftler. Alle meine Arbeiten beschäftigen sich mit unserer Umwelt, mit Naturphänomenen und physikalischen Abläufen. Sie thematisieren einerseits, was wir im Alltäglichen visuell und haptisch erleben, andererseits meine Gefühle und Gedanken bei extremen Gewittern in Texas oder beim Anblick eines vor sich hin schmelzenden Eisbergs in Island. Ich möchte das Fragile und Erhabene erfahrbar und greifbar machen, das Analytische verstofflichen, und durch diesen Mix emotional aufladen. Damit möchte ich Bewusstsein und Respekt für die prekäre Lage der vom Menschen in ein Ungleichgewicht gebrachten Umwelt schaffen. Mir geht es um Liebe zur Natur und ihrer Einzigartigkeit.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Meine Leinwandarbeiten baue ich Schicht für Schicht aus collagiertem Papier, Farbe und fragmentarischen Motiv auf. Mit diesem formalen Aufbau unterstreiche ich die eben beschriebene Instabilität und Fragilität unserer Umwelt. Mit expressivem, aber gesetztem Duktus trage ich die Ölfarbe entweder mit einem Pinsel oder einem Spachtel auf - bzw. teilweise auch wieder ab. Somit entsteht in meinen Bildern ein fortwährendes Ringen aus unteren und oberen Schichten, von lasierenden und opaken, heilen und kaputten Flächen. Sie sind somit nicht nur Ausdruck der Komplexität meines Themas, sondern auch Versinnbildlichung des Ringens um Werden und Vergehen, Streben und Scheitern, Schützen und Zerstören.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Wie Du frage ich mich, warum Steine fallen, Vögel fliegen, Planeten kreisen. Mit Hilfe des bekannten „Wer, Wie, Was? Wieso, Weshalb, Warum?“ möchte ich erfahren, woher alles kommt und wohin alles geht. Meine Neugier ist die gleiche wie Deine Neugier.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Gegen Ende des Studiums entstand mein Credo, dass das Material der Idee folgt. Der Malerei bin ich treu geblieben, jedoch wuchs meine Offenheit für einen experimentellen Materialmix. Beispielsweise binde ich heute mit Chemikalie gebleichte Papiere in die Leinwand oder Kupferpulver und Rußschlieren in die Farbe mit ein. Die Qualität und Beschaffenheit additiver Materialien lässt mich eine zeitgemäße Spannung zur klassischen Ölfarbe erzeugen.
Sammelst Du Kunst?
Zu Hause habe ich eine kleine, aber feine Sammlung befreundeter Künstlerinnen und Künstler. Zudem umgebe ich mich dort mit eigenen Arbeiten, die für maßgebliche inhaltliche und formale Veränderungen in meinem Werk stehen. Ich mag es, in den Arbeiten zu erkennen, wie sich mein Duktus im Laufe der Zeit entwickelte und zu überlegen, wie es weitergeht.
Installationsansicht Perfect Storm, Galerie Tanja Wagner, 2019 – links: Breath, Papier, Sprühfarbe, Graphit, Öl auf Leinwand, 180 x 150 cm, 2019 – rechts: Petrichor, Papier, Sprühfarbe, Graphit, Öl auf Leinwand, 150 x 135 cm, 2019 – Raum: Lumina, gelb eingefärbte Galeriewände
Installationsansicht Biophilia, Kunst & Denker Contemporary, 2019 – links: Stress I & II, je Inkjet print, Ruß, 38 x 33 cm, 2019 – rechts: Vigor, Papier, Sprühfarbe, Graphit, Öl auf Leinwand, 68 x 58 cm, 2019
Installationsansicht Between the Lines, Kunsthaus Essen, 2018 – hinten: Sparks II & III, je Chemikalie, Kohle, Papier auf Leinwand, 70 x 50 und 70 x 60 cm, 2018 – vorne: Wogender Bernstein, Holz, Messing, Kupferdraht, Kupferscheiben, Holzkugeln: je ø 17 cm, Kupferscheiben: 2 x ø 16 cm, 1 x ø 18 cm, 2016
Welches Museum beeindruckt Dich?
Im Deutschen Museum, München, dem weltweit größten Naturwissenschafts- und Technikmuseum, bin ich seit vielen Jahren am liebsten und häufigsten. In seinen historischen physikalischen Objekten und Versuchsaufbauten erkenne ich starke Parallelen zu heutigen künstlerischen Arbeiten und Installationen. Jedes Exponat, jeder Raum, jede Etage beschreibt nicht nur unsere Umwelt und hilft, die materielle Welt zu verstehen, sonders streift gleichzeitig philosophische Fragen zu Existenz und menschlicher Stellung im Weltganzen. Was verrät unser Leben im Kleinen über das Universum im Großen? Wie gesagt: Wissenschaftler sind Künstler und Künstler sind Wissenschaftler.
Gibt es Künstler, die Dich beeindrucken?
Ólafur Ellíasson schlägt in seinen Arbeiten eine überzeugende Brücke zwischen wahnsinnig ästhetischer, zeitloser Kunst und dringlicher klimapolitischer Relevanz. Seine klugen Arbeiten sind gleichermaßen sanft und radikal. Ich bin ein großer Fan. Malerisch überzeugt mich insbesondere Adrian Ghenie, mit seinem furios-aggressiv-nonchalanten Farbauftrag. Was bei ihm nahezu rabaukenhaft daherkommt, ist präzise beobachtet und umgesetzt. Die Werke beider Künstler lösen neben dem visuellen Genuss bei mir immer auch eine eigene Schaffenslust aus. Sie sind für mich wie Funkenflüge.
Eine typische Angewohnheit von Dir?
Zu vieles fange ich zu schnell und zu impulsiv an. Ich habe diesen gewissen Hang zum Aktionismus, statt mich kurz zu sammeln, abzuwarten und Tee zu trinken. Vor einem Bild zu sitzen und zu schauen fällt mir allerdings leicht.
Wie sind Deine Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?
Nicht dem Markt nachlaufen, sondern sich selbst finden und somit dem Markt voraus sein.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt?
Digitale Medien und Plattformen sind immense Multiplikatoren für die Sichtbarkeit eigener Kunst und die Erweckung / Bildung fremden Interesses und Begehrlichkeit. Je mehr Zeit vergeht, desto stärker empfinde ich diese Bewegung und spüre die Wirkung. Dennoch wird durch die Digitalisierung das Interesse an real gesehener und erfahrbarer Kunst nicht verschwinden, vielmehr verstärkt sich die Sehnsucht nach ihr sogar. Gerade Malerei kann digital nicht wirklich erfasst werden, da Struktur, Details und Farbtiefe auf einem Bildschirm nur bedingt wiedergegeben werden.
Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?
Nun, COVID-19 lässt uns die Luft anhalten… Wenn im November die Art Cologne stattfinden sollte, dann sind dort auch Arbeiten von mir zu sehen. Im gleichen Monat stelle ich bei meiner Galerie Tanja Wagner im Rahmen ihres 10-jährigen Jubiläums in Berlin aus. Und wenn es die Lage zulässt, bin ich ebenfalls im November beim Artist in Residence in Andratx auf Mallorca und realisiere ein Projekt zum größten Waldbrand in der Geschichte der Insel.
Der Maler Daniel Heil – Ein Gespräch mit Christoph Blank
Daniel Heil, geboren 1988 in Düsseldorf, studierte von 2010 bis 2015 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Katharina Grosse. Wir haben ihn in seinem Atelier zum Gespräch getroffen.
Wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten und warum? Wann hast Du Dich das erste Mal mit Kunst beschäftigt?
Zum Malen haben mich die Besuche in unterschiedlichsten Museen und dem Atelier meines Großvaters inspiriert. Schon als kleiner Junge habe ich am liebsten ständig gemalt. Man könnte also sagen, dass die Leidenschaft ein Stück weit familiär bedingt ist.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Ich bin Maler. Über landschaftliche und gegenständliche Motive sowie kleinteilig konzipierte, metaphorisch durchtränkte Arbeiten habe ich mich schlussendlich zum Minimalismus gearbeitet. Als ich mich dabei ertappte, wie ich unentwegt auf der Suche nach bedeutungsschwangeren Motiven war und gelangweilt davon, nur vor der Leinwand zu sitzen und zu überlegen, was ich malen könnte, fing ich an Strukturen und Muster in der Natur zu fotografieren und auf Basis dieser Ausschnitte eine abstrakte Formsprache zu entwickeln. Diese hat sich dann in den gegenwärtigen, intuitiven Arbeiten aufgelöst, bei dem der Prozess wichtiger als das Ergebnis ist, wodurch sich eine gewisse Klarheit in den fertigen Werken manifestierte, die vorher noch nicht bestand. Retrospektiv kann man diesen Vorgang als Wendepunkt in meinem künstlerischen Schaffen bezeichnen. Jetzt interessiert mich beim Malen der Moment der Ruhe, wo die Zeit keine Rolle spielt und ich mich in einem Strich verliere.
Wer oder was hat Dich beeinflusst? Was inspiriert Dich?
Von bestimmten Künstlern ist meine Arbeit eigentlich nicht beeinflusst. Dennoch gibt es einige, deren Aussagen über ihr Schaffen, das Malen als Tätigkeit und auch ihren Arbeitsrhythmus eine inspirierende Wirkung auf mich haben. Inspiriert bin ich von der Natur. Die Ruhe und Bestimmtheit alles Natürlichen, also die Essenz der Natur, versuche ich durch und mit meinen Arbeiten einzufangen. Bei meinen älteren Bildern musste man stets überlegen, um sie deuten zu können. Jetzt geht es mehr um ein instinktives Verstehen, gleichzusetzen mit dem Gefühl, welches sich beim Betrachten von Wasser oder Feuer einstellt. Diese ureigene Kraft, diese Klarheit bewegt mich zum Malen und wird somit auch in meinen Bildern verewigt.
Inwieweit haben die Akademie und Deine Professoren Dich und Deine Arbeiten geprägt?
Meine Zeit an der Akademie hat mich in dem bestätigt, was ich wollte, und nicht das zu machen, was Andere tun oder was vielleicht vernünftiger wäre. Sie hat mir beigebracht keinen Stil oder Trend nachzuahmen, sondern auf meine Intuition zu hören – nicht darauf zu achten, was Kommilitonen oder Professoren zu meinen Arbeiten sagen, sondern Vertrauen in mein eigenes Schaffen zu haben. Es ist nicht so, dass ich ungern Kritik höre, oder gar beratungsresistent bin, hierbei geht es mir mehr um die innere Einstellung zu meiner Arbeit.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?
Mein Anliegen ist es, zu malen. Was ich damit ausdrücken will, liegt für mich an zweiter Stelle. Das Malen ist für mich ein Muss. Eine Notwendigkeit, um zu überleben. Es geht nicht darum Belehrungen, von mir verarbeitete Informationen oder eine politische Agenda einfließen zu lassen und zur Schau zu stellen. Es sind keine Bilder, die den mahnenden Zeigefinger hochhalten. Vielleicht geht es genau um die Absenz dieser Dinge. Denn verändern kann man meiner Meinung nach nur, wenn man mit sich selbst im Reinen ist und seine ureigene Kraftquelle gefunden hat. Ich möchte dem Betrachter mit meinen Bildern die Kraft schenken, um sein Inneres und diese Quelle zu finden und daraus selbst Veränderung zu erschaffen.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Die einzige Regel, die ich mir selbst auferlege ist, meinem Stil keinen Regeln unterzuordnen, um immer in Bewegung zu bleiben, Veränderung zulassen zu können und sich selbst nicht einzuengen.
Gibt es ein Werk, in das Du besonders viel Energie investiert hast?
Die jüngste Arbeit ist immer diejenige, in die ich am meisten Energie stecke. Wenn es nicht so wäre, würde es eine selbstgefällige Arbeit, bei der ich mich selbst kopiere.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Ich genieße das Leben.
Sammelst Du Kunst?
Ja, ich sammle Kunstwerke, hauptsächlich von Freunden und Kommilitonen, aber auch Arbeiten, die meinen Weg kreuzen. Das Schöne am Sammeln über einen längeren Zeitraum ist, dass die Entwicklung der Künstler und die Gedanken, die zwischen den Arbeiten entstanden sind, sichtbar werden.
Ein Künstler, der Dich beeindruckt?
Daniel Richter
Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht?
Die letzte Ausstellung ist, krisenbedingt, schon etwas her. Einige Wochen vor dem Corona-Lockdown war ich mit Freunden im Rijksmuseum in Amsterdam. Ich genieße die Werke der alten holländischen Meister. Bilder, die ich seit Jahren immer wieder besuche – die Lichtreflexe und wie sie gesetzt sind, faszinieren mich immer wieder.
Eine typische Angewohnheit von Dir?
Das ist doch kein Problem – ich mach das eben.
Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?
Morgens stehe ich auf, gönne mir ein Manufactum-Croissant und fahre dann mit dem Fahrrad in meinen angemieteten Gemüsegarten am Rhein in Düsseldorf-Volmerswerth und verrichte da alle anstehenden Arbeiten. Nachdem ich im Garten oder am Rhein spazieren gegangen bin, fahre ich mit leerem Kopf für drei bis vier Stunden ins Atelier: Malen, Keilrahmen bauen, Leinwände aufspannen, was eben gerade so ansteht. Nach einer kurzen Mittagspause geht es dann weiter im Atelier. Wenn es gut läuft auch manchmal bis in den frühen Morgen hinein.
Wie sind Deine Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?
Mann kann sich viele Ratschläge von Künstlern anhören, dennoch muss man seinen eigenen Weg finden, und das kann man nur allein. Der Weg eines Anderen wird nicht zwangsläufig falsch sein, aber die eigene Biographie zeichnet deinen Weg vor und ist somit nicht mit anderen zu vergleichen. Man sollte authentisch bleiben, sich nicht verbiegen und immer am Ball bleiben.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt?
Die Digitalisierung hat auf mein künstlerisches Schaffen keinen direkten Einfluss. Dennoch ist sie ein wichtiges Werkzeug, um meine Werke einem diverseren Publikum präsentieren zu können. Dadurch verliert die Kunst an sich ihren elitären Stellenwert und wird für alle zugänglich – so wie sie einst gedacht war.
Was zeichnet die Kunstszene in Düsseldorf und Köln für Dich aus?
Es ist schön, in einer so breit gefächerten Region zu leben, in der es möglich ist, sich über (Stadt)Grenzen und verschiedenste künstlerische Disziplinen hinweg auszutauschen.
Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?
Ich male immer, ganz egal, ob Ausstellungen anstehen oder nicht. Leider sind drei geplante Ausstellungen aufgrund der Corona-Pandemie verschoben worden. Ich werde in nächster Zeit verstärkt auf Social Media aktiv sein und Einblicke in mein Schaffen gewähren.
Interview und Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Buy selected works by Daniel Heil
Daniel Heil
P-1502
Acryl auf Papier
40 x 30 cm
500 EUR
Levente Szücs bringt zusammen, was nicht zusammengehört – Ein Gespräch mit Christoph Blank
Levente Szücs wurde 1989 in Miskolc, Ungarn geboren. Bis 2019 studierte er Freie Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf und ist Meisterschüler von Herbert Brandl. Levente Szücs lebt und arbeitet in Düsseldorf.
Levente, wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten und warum? Wann hast Du Dich das erste Mal mit Kunst beschäftigt?
Ich habe vor circa zwölf Jahren angefangen zu malen. Habe aber seit meiner Kindheit schon immer gezeichnet. Es war mir schon immer klar, dass ich später einen kreativen Beruf ausüben muss. Mit der zeitgenössischen Kunst hatte meine Familie und unser Bekanntenkreis aber nie etwas zu tun. Wir haben zwar Museen besucht und uns Ausstellungen der “Alten Meister” angeschaut – jedoch nie Ausstellungen der “Zeitgenossen”. In der Stadt, in der ich in Ungarn aufgewachsen bin, gab es eigentlich auch keine Kunstszene. So kam ich damit recht spät in Berührung. Damals kam mir allerdings nie der Gedanke, dass ich einmal Künstler werde. Im Nachhinein hört sich das so banal an. Ich hatte aber als Jugendlicher immer den Gedanken, wenn man etwas Kreatives machen möchte, dann wird man entweder Designer oder Tätowierer. Da ich mich nie in einem Büro gesehen habe, habe ich mich schon früh für das Künstlerdasein entschieden. Das Tätowieren war damals meine Leidenschaft. Dann kam die Malerei dazwischen. Ich wollte nämlich auf einmal Malerei studieren, mit dem Hintergedanken, dass ich das Erlernte in meine Tattoos übertrage. Die Malerei hat mich aber sofort so sehr fasziniert und nicht losgelassen, dass ich nach einem Monat malen, mein ganzes Tattoo-Equiptment verkauft und mir von dem Geld Ölfarben und Pinsel gekauft habe. Von dem Moment an war es für mich klar, dass das mein Weg ist. Seitdem dreht sich alles nur noch um die Kunst.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
In den ersten Jahren habe ich überwiegend naturalistisch gemalt. Ganz altmeisterlich, mit vielen transparenten Lasurschichten. Die Bilder haben immer ewig gedauert bis sie fertig wurden und ich mochte die sehr. Ich hatte aber das Gefühl, dass etwas fehlt. Dann hat mir einer meiner Dozenten an der Kunstakademie geraten, auch andere Stilrichtungen auszuprobieren. Den Rat fand ich gut und fing an, das komplette Gegenteil zu machen und malte die ersten abstrakten Bilder. Diese Arbeiten sind auch viel schneller fertig geworden, aber irgendwas hat mir immer noch gefehlt. Durch einen Zufall lag eine ausgeschnittene Bergsilhuette als Foto auf einem abstraktem Aquarell auf meinem Schreibtisch und so kam ich auf die Idee, die beiden Welten miteinander zu verbinden und aus den Gegensätzen eine Einheit zu schaffen. Das war 2013 und seitdem ist das der Gedanke, um den sich alle meine Bilder drehen: Wie kann ich eine Einheit aus Dingen schaffen, die eigentlich nicht zusammengehören?
Wer oder was hat Dich beeinflusst? Was inspiriert Dich?
Ich denke, dass man permanent durch den Alltag, durch die Dinge, die man sieht, hört oder liest unterbewusst beeinflusst wird. Deswegen versuche ich zum Beispiel auch, wenig in der Stadt zu sein und bin stattdessen viel mehr in der Natur. Die Natur und mein Leben sind meine Inspirationen.
Inwieweit haben die Akademie und Dein Professor, Herbert Brandl, Dich und Deine Arbeiten geprägt?
An der Akademie wird den Studierenden oft geraten mehrere Klassen zu besuchen, damit man verschiedene Professoren und Sichtweisen kennenlernt. Ich war allerdings nur in einer Klasse, bei Prof. Herbert Brandl. Er hat uns jede Freiheit gegeben. Man war zwar oft alleine, aber nur so konnte man sich auf das Leben eines Künstlers vorbereiten. Keiner wird einem nämlich sagen, wann du aufstehen und zur Arbeit gehen musst, was du zu tun hast, welche Aufgaben du erledigen musst, wie man seinen Tag plant und durchführt. Man muss eine gewisse Selbstdisziplin lernen, sich selbst motivieren können, und lernen wie man seine eigenen Ideen und Gedanken umsetzt. Daher wollte ich die Klasse oder den Professor nie wechseln, da ich immer das Gefühl hatte, dort an dem richtigen Platz zu sein. Dort hatten wir nämlich die Freiheit und die Zeit machen zu können, was und wann wir wollten und unser Professor hat uns dabei immer unterstützt. Er hat uns immer sehr gute Ratschläge gegeben, hat aber immer darauf geachtet, dass er unsere Arbeit nicht zu stark beeinflusst. Dadurch konnte sich jeder Student frei entfalten und entwickeln. Für mich war eigentlich diese Freiheit und diese Selbstständigkeit das Wichtigste, was ich während des Studiums gelernt habe und natürlich die Freunde, die man dort kennengelernt hat.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?
In meiner Arbeit versuche ich aus Gegensätzen eine Einheit zu bilden. Das ist immer das Hauptthema. Die Bilder drehen sich nicht unbedingt nur um die Landschaft, oder nur um die Abstraktion. Diese Suche nach dem Kompromiss oder nach einem Mittelweg beschäftigt mich andauernd in meinem Alltag und in meinem Leben. Wenn man das so sagen kann, dann fängt es schon bei der Sprache an. Ich bin nämlich in Ungarn geboren, somit ist meine Muttersprache eigentlich Ungarisch. Ich lebe aber seit 17 Jahren in Deutschland, und auch wenn ich die deutsche Sprache mittlerweile ziemlich gut beherrsche, werde ich damit tagtäglich konfrontiert, dass ich bestimmte Gedanken oder Gefühle nicht so ausdrücken kann. So greife ich immer wieder zu Synonymen, verwende Umschreibungen, die zwar zum selben Ziel und zur selben Aussage führen, der Weg dahin ist aber ein anderer. Man kann aber auch an die verschiedenen Kulturen, Sitten und Bräuche, an die unterschiedlichen Charaktere der Menschen, oder auch an Humor denken - es ist alles anders. So muss man dann immer zwischen den beiden Welten balancieren, damit man seine Wurzeln nicht aufgibt, sich aber trotzdem in dem Land anpasst, in dem man lebt. So bin ich ständig auf der Suche nach einem Kompromiss, damit ich mich dadurch eher ergänze, bevor ich mich aufgeben würde. Genau so ist es bei meinen Bildern: zwei unterschiedliche Welten werden miteinander verwoben, damit man keine Grenze zwischen den Unterschieden erkennt. Es gibt nicht einen Gewinner und einen Verlierer in dem Streit – beide Parteien geben etwas ab, damit sie gemeinsam als Einheit funktionieren und dadurch stärker werden.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Es gibt keine Regeln.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Es gibt keine Techniken oder Materialien, die ich bevorzuge. Wenn ich eine Idee habe, dann experimentiere ich immer eine Zeit und bin auf der Suche nach der geeigneten Technik oder nach dem perfekten Material für die konkrete Idee. Es geht dann schließlich immer um das Ziel, dass man seine Gedanken so gut wie möglich ausdrücken kann. Und für jeden Gedanken, jede Idee gibt es bessere und schlechtere Techniken und Materialen. Ganz am Anfang habe ich mit Öl gemalt, mit Lasuren und vielen durchsichtigen Schichten. Dann habe ich zur Gouache, Tusche und Acrylfarben gewechselt. Die Fotografie hat immer mehr eine Rolle in meiner Arbeit gespielt, bis ich dann angefangen habe, diese als Teil meiner Bilder zu verwenden. In letzter Zeit experimentiere ich aber auch an meinen skulpturalen Ideen. Als Künstler ist man ständig auf der Suche nach etwas Neuem; daher gibt es nicht nur eine Technik oder ein Material.
Gibt es ein Werk, in das Du besonders viel Energie investiert hast?
Ja. Ursprünglich wollte ich mein Studium ein Jahr früher beenden und habe für meinen geplanten Abschluss 2018 ein 3 m hohes und 7 m breites Bild gemalt. Insgesamt habe ich 6 Monate an dem Bild gearbeitet und da ich früher fertig wurde, wollte ich die Arbeit auseinander bauen, damit ich mehr Platz im Atelier habe. Der Abbau ist aber nicht gut gelungen. Das Bild ist umgekippt und durch Gewicht und Größe an mehreren Stellen gerissen. Ich habe versucht, es zu restaurieren. Es war aber leider nicht mehr zu retten. So musste auch der Abschluss um einen Jahr verschoben werden. Aber durch dieses Ereignis kam ich auf die Idee meiner aktuellen Arbeiten.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Ich bringe zusammen, was nicht zusammengehört.
Sammelst Du Kunst?
Ich sammle sehr gerne Kunst, aber auch Gegenstände, die mich in irgendeiner Weise interessieren oder faszinieren. Ich beobachte die dann, untersuche sie bis zum letzten Detail und wenn ich damit fertig bin, dann kommen die in eine Vitrine. Sie sind dann wie gute Bücher, die man manchmal wieder in die Hände nimmt und noch einmal liest. Ich tausche aber auch gerne mit Künstlerfreunden, hauptsächlich weil ich sie persönlich sehr schätze und ihre Arbeiten bewundere.
Welches Museum und welche Galerie beeindruckt Dich?
Ich könnte jetzt kein konkretes Museum oder keine konkrete Galerie nennen. Für mich kommt es immer auf den Künstler oder auf die Ausstellung an. Wenn ich in Düsseldorf bin, dann bin ich oft in der Kunstsammlung, im Kunstpalast, oder bei der Sammlung Philara. In Wien gehe ich jedes Mal ins Leopold Museum, besuche das Mumok, das Belvedere 21, die Albertina, das Kunsthistorische, aber auch sehr gerne das Naturhistorische Museum. In Amsterdam mag ich das Stedelijk Museum. Es kommt immer ganz darauf an, was ausgestellt wird und wo man sich gerade befindet.
Ein Künstler, der Dich beeindruckt?
Schwierige Frage. Ich bewundere wirklich viele Künstler und könnte mir auf die Schnelle nicht einen Einzigen aussuchen. Es sind eine Reihe von Künstlern – alte Meister und Zeitgenossen – die mich immer wieder durch ihre Werke beeindrucken. Am interessantesten finde ich das 20. Jahrhundert mit zahlreichen Künstlern.
Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht? Welche Ausstellung muss man unbedingt sehen?
Die letzte Ausstellung, die ich besucht habe, war die Hundertwasser-Schiele Ausstellung im Leopold Museum in Wien – eine Ausstellung, die man unbedingt sehen muss! Davor war ich im Naturhistorischen Museum – auch ein unglaubliches Museum und immer einen Besuch wert! Das Highlight des Jahres war für mich jedoch in Amsterdam im Stedelijk Museum – dort bin ich auf ein holländisches Künstlerduo, Studio Drift gestoßen, das die zeitgenössische Kunst mit der Technik verbindet – sehr spannende Arbeiten!
Eine typische Angewohnheit von Dir?
Ich fahre jeden Tag mit meinem Hund in den Wald.
Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?
Ich wache zwischen 8 und 9 Uhr auf und fahre mit meinem Hund in einen Wald um zu wandern, zu fotografieren und mich auf die Arbeit mental vorzubereiten. Esse früh Mittag und fahre danach ins Atelier. Ich mache zum Aufwärmen gerne einige schnelle Farbstudien auf Papier und arbeite an meinen Ideen. Jeder Atelierbesuch und jeder Tag ist unterschiedlich. Ich bleibe unterschiedlich lang – je nachdem, wie man im Flow ist. Manchmal vergesse ich sogar die Zeit. Dann gelingen meistens die besten Werke. Nach dem Malen fahre ich dann wieder mit dem Hund in den Wald, um zu entspannen und um den Tag abzuschließen. Die Kamera habe ich aber immer dabei und mache viele Fotos.
Wie sind Deine bisherigen Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?
Da ich erst seit paar Jahren dabei bin, weiß ich nicht, ob ich bereits genug Erfahrung gesammelt habe, um anderen einen Rat geben zu können. Ich hatte das Glück, während des Studiums an einigen Ausstellungen teilnehmen und dadurch Kontakte mit Kuratoren, Sammler, Galeristen und Kunstberatern machen zu können. Bis jetzt habe ich fast ausschließlich positive Erfahrungen gemacht und mit vielen Leuten, mit denen ich in den letzten Jahren zusammenarbeiten konnte, ist auch eine Freundschaft entstanden. Die Erstkontakte kamen oft durch den jährlichen Rundgang zustande. Was ich jüngeren Absolventen rate, ist, dass sich jeder eine Homepage erstellen sollte, damit sich Interessenten über das Werk, die Person und über aktuelle Ausstellungen informieren können.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt?
Zur Digitalisierung des Kunstmarkts kann ich ehrlich gesagt wenig sagen. Dahingegen finde ich die Digitalisierung in der Kunst ein interessantes und wichtiges Thema. Heutzutage findet man in fast jedem Künstleratelier einen Computer, Drucker und Internet, da man die Digitalisierung als Ergänzung oder als Hilfsmittel bei der Arbeit nutzt. Vor einigen Jahren habe ich mit einem Freund zusammen eine Datenbank für Künstler entwickelt, weil ich damals keine passende App zur Erstellung eines eigenen Archivs gefunden habe. Ich wollte einfach eine unkomplizierte und professionelle Datenbank, die es so in der Form nicht gab. Es gab natürlich Software für Kunstdatenbanken, diese waren meiner Meinung nach aber eher für Galeristen, Sammler und Museen gedacht. Für mich viel zu kompliziert und zu teuer. So haben wir in unserer Freizeit eine eigene Datenbank entwickelt. Wir arbeiten immer noch daran, dass diese App möglichst viele Künstler erreicht und deren Arbeit erleichtert. Hierfür suchen wir jedoch noch Partner. In der Zwischenzeit nutzen wir die Plattform mit einer leichten Änderung für die Durchführung und Organisation von Kunststipendien und Ausschreibungen. Von der Bewerbungsphase bis hin zur Jurysitzung wickelt man alles ganz einfach online mit unserer Datenbank ab. Das spart den Bewerbern, der Jury und dem Veranstalter Arbeit und Zeit. Die Digitalisierung in der Kunst ist also ein recht spannendes Thema, was mich auch in meinem Alltag beschäftigt.
Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?
Es gibt eine Reihe spannender Projekte und Ideen, an denen ich momentan arbeite. Wie schon erwähnt, arbeite ich zur Zeit an Skulpturen aus Holz. Ich finde das Thema gerade sehr spannend. Vor allem, weil der Grundgedanke derselbe ist, wie bei meinen Bildern. Nur die Sprache ist anders. Ansonsten lief noch bis Mitte März die Ausstellung der Absolventen der Kunstakademie “In order of appearance” im K21. Für dieses Jahr waren noch zwei Einzelausstellungen in Wien und Köln geplant. Diese werden aber wegen der aktuellen Corona-Situation sehr wahrscheinlich später stattfinden. Es gibt auch noch ein Projekt mit einem Verlag. Über die Details kann ich jetzt aber noch nicht viel verraten. Auf meiner Homepage findet man aber immer aktuelle Informationen zu Ausstellungen und Projekten.
Text und Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Buy selected works by Levente Szücs
Levente Szücs
Ohne Titel 5 (Farbkomposition), 2019
Acryl auf Hahnemühle Papier mit Leinenstruktur
32 x 24 cm
375 EUR
Der stille Beobachter – Alwin Lay im Gespräch mit Christoph Blank
Alwin Lay, 1984 in Rumänien geboren, lebt und arbeitet in Köln. Von 2011 bis 2013 studierte er bei Christopher Williams an der Kunstakademie Düsseldorf. 2013 absolvierte er ein Jahr an der Kunsthochschule für Medien Köln bei Mischa Kuball, Johannes Wohnsiefer und Christopher Williams. 2013 erhielt er den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für junge Künstlerinnen und Künstler, 2014 das Max Ernst Stipendium und 2016 das Villa Aurora Stipendium, Los Angeles. Er ist Preisträger des Arbeitsstipendiums der Stiftung Kunstfonds 2020. Internationale Ausstellungsprojekte prägen seinen Lebenslauf. Wir haben Alwin Lay in seinem Studio im Atelierhaus des Bonner Kunstvereins zum Gespräch getroffen.
Wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten und warum?
Es gab kein erleuchtendes Ereignis. Über mein Interesse an der Fotografie bin ich recht früh an die Kunst geraten und immer tiefer in dieses Interessensgebiet eingetaucht und habe dann auch konsequent den Weg als Künstler verfolgt.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Der Weg war bisher sehr arbeitsreich, mit viel Vergnügen an mühsamer konstanter Beschäftigung. Manche Steine auf diesem Weg haben sich als inspirierende Kissen entpuppt und manch eine Komfortzone ist sehr steinig geworden.
Inwieweit haben Akademie und Professoren Dich und Deine Arbeit geprägt?
Ich hatte das Glück in einem sehr guten Umfeld zu studieren, sowohl was meine Kollegen, als auch die Professoren anging. Zu der Zeit war die Fotografie, besonders im Rheinland, in eine Krise geraten, verursacht durch das Vakuum der Becher-Klassen-Euphorie in den Jahren davor. Sich als junger Künstler mit so einer Leerstelle auseinanderzusetzen, ist natürlich viel spannender als auf ein vordeterminiertes Feld zu treffen. Das führte mich natürlich auch immer wieder weg von der Fotografie und hin zu ganz anderen Themenfeldern. Ob an der Kunsthochschule für Medien Köln bei Mischa Kuball oder Johannes Wohnseifer, oder dann später bei Christopher Williams an der Kunstakademie Düsseldorf - jeder hat so seine Spuren in meinem Denken und Handeln hinterlassen.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?
Kunst kann Ihre Kraft am besten entfalten, wenn sie kein Anliegen formuliert, sondern wenn sie selbst ein Anliegen ist. Es geht also um Dringlichkeit und ich bin durchaus getrieben Dinge zu tun – die Antworten sind dann die Werke.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Zu dieser Frage würde ich gerne eine der drei Regeln von Christopher Williams zitieren: No Humor.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Ich bin ein Beobachter. Deshalb verwende ich meist Medien mit denen man Beobachtungen aufzeichnen und wiedergeben kann.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Ich versuche sichtbar zu machen was ich sehe. Manchmal mit offenen und manchmal mit geschlossenen Augen.
Sammelst Du Kunst?
Ich tausche hin und wieder mit Kollegen und Freunden – das macht meine bescheidene Sammlung recht emotional. Eine tolle Arbeit von Peter Miller habe ich mal gekauft – darüber bin ich sehr froh. Damals hatte ich ein bisschen Geld übrig. Seitdem hat es immer mal wieder Arbeiten gegeben, die ich gerne gesammelt hätte, aber es fehlt mir meist die Dringlichkeit diese auch besitzen zu müssen.
Welche Museen und welche Galerien beeindrucken Dich?
Im Rheinland ist die Dichte der Kunstvereine, Museen und Galerien schon grundsätzlich sehr beeindruckend. Das Ludwig Museum gehört darunter zu meinen Lieblingen. Das Engagement der jungen Galerien wie Drei, Jan Kaps, Marrietta Clages, Nathalia Hug oder Max Mayer bringt einen frischen Wind in die geschichtsträchtige und etablierte Galerielandschaft – das finde ich ganz gut.
Eine typische Angewohnheit von Dir?
Espresso trinken.
Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?
Ein Arbeitstag hängt ganz von der aktuellen Phase ab. Mal ist es eine ganz langweilige Bürophase, mal sind inspirierende Gespräche notwendig, bis der Kopf raucht, hin und wieder muss auch einfach mal eine weiße Wand angeschaut werden, damit man sich wieder fragt, was das eigentlich alles soll und dann kommt mal Schwung in die Sache und es beginnt eine Produktions-Phase – in der muss exzessiv produziert werden.
Alwin Lay, Rollout, Nino Mier Gallery, Los Angeles, 2019
Gute Aussichten Deluxe, Haus der Fotografie, Deichtorhallen Hamburg, 2018
Alwin Lay, Prospective #4, Natalia Hug, Köln, 2019
Wie sind Deine bisherigen Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?
Zum Kunstmarkt kann ich nichts sagen. Aber jedem jungen Künstler rate ich, die Augen offen zu halten, aber im Kern bei sich und der eigenen Arbeit zu bleiben.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt und die Kunst? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung?
Für mich spielt es eine besondere Rolle in einer digitalisierten Welt zu leben, da wir nun mal die letzte Generation sind, die den Umbruch und die Anfänge der Digitalisierung mitbekommen haben. Ich kann mich z.B. noch gut an die Wählscheibe eines Telefons im praktischen Einsatz erinnern und nutze jetzt natürlich täglich mein Smartphone. Das macht unsere Generation besonders. Die neue Generation wächst hingegen mit einer ganz anderen Selbstverständlichkeit auf. Naja, aber was den Kunstmarkt betrifft, denke ich, dass das Wesentliche unverändert bleibt. Es werden weiterhin Werke produziert und auch verkauft.
Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?
Im März eröffnet die Ausstellung SUBJEKT und OBJEKT. FOTO RHEIN RUHR in der Kunsthalle Düsseldorf. Dort bin ich auch vertreten. Am 15.05 wird dann meine nächste Einzelausstellung im Museum für Photographie in Braunschweig eröffnen. Darauf konzentriere ich mich im Moment. Im Juni zeige ich ganz neue Arbeiten in der Gruppenausstellung “Made in Germany” in Beirut, im Herbst folgt eine Ausstellung in Wien.
Text und Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Buy selected works by Alwin Lay
Alwin Lay
Tension, 2020
Archival Pigment Print
14 x 10,5 cm (Print)
28 x 32 cm (Frame)
Auflage: 12
773,50 EUR (Framed)
Der menschliche Drucker – Arno Beck über das Wechselspiel zwischen Handgemachtem und Digitalem
Arno Beck hat an der Kunstakademie Düsseldorf in den Klassen Lüpertz, Braun und Havekost studiert. Heute lebt und arbeitet er in Bonn. Im Herbst 2019 haben wir den Meisterschüler von Eberhard Havekost in seinem Studio im Atelierhaus des Bonner Kunstvereins getroffen.
Wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten und warum? Wann hast Du Dich das erste Mal mit Kunst beschäftigt?
Getragen von der romantischen Vorstellung eines Künstlerdaseins als radikaler Lebensentwurf war das ein Weg den ich unbedingt einschlagen wollte. Mit Kunst oder visuellen Ausdrucksformen beschäftige ich mich, seitdem ich denken kann auf die ein oder andere Weise - da gibt es keine alleinstehende Initialzündung die mich plötzlich da herangeführt hat. Für mich war nur klar, dass es keine Alternativen zu einem Kunststudium gibt.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Während meines Studiums habe ich in erster Linie gemalt. In dieser Zeit habe ich viel Unterschiedliches ausprobiert und mit Bildfindung und Techniken experimentiert. Diese Erfahrungen und meine Faszination für visuelle, digitale Phänomene ergaben 2015 den roten Faden in meinem Werk den ich bis heute verfolge.
Inwieweit haben die Akademie und Deine Professoren Dich und Deine Arbeiten geprägt?
Der Schwerpunkt Malerei in der Kunstakademie hat sicherlich mein Selbstverständnis als Maler geprägt. Auch wenn ich keine Malerei im konventionellen Sinne betreibe, bildet diese doch meinen Ausgangspunkt. Studiert habe ich bei Eberhard Havekost, der leider gerade verstorben ist. Er war ein wichtiger Einfluss für mich. Ich sehe keine direkte stilistische Nähe zu seinen Arbeiten, denn er hat nicht versucht seine Studenten zu Kopien seiner Selbst zu machen. Vielmehr hat er als eine Art Verstärker fungiert und mir die nötigen Denkansätze vermittelt, um meine bildnerischen Ansätze weiterzuentwickeln.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?
Meine Bilder entstehen aus dem Bedürfnis heraus, auf dem Bildschirm Gesehenes in den Raum zu bringen und greifbar zu machen. Dieses “in die Hände bekommen” ist ein zentraler Aspekt der mich fasziniert. Gerade weil ich mich mit Bildschirmwelten auseinandersetze und der Monitor immer erstmal jede Form von Haptik und Oberflächenstruktur negiert, interessiert mich dieser Aspekt der physischen Materialisierung. Es geht um das Wechselspiel zwischen Handgemachtem und Digitalem und die Vermenschlichung von Technik.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Digitale Bildwelten analog zu rekonstruieren ist erst einmal der grobe Rahmen den ich mir abgesteckt habe. In dieser selbst auferlegten Beschränkung finde ich eine große Freiheit. Das ist für mich essentiell, da ich sonst im Meer der Möglichkeiten ertrinken würde. Die Umsetzung kann dann auf verschiedenen Wegen geschehen – ob zeichnerisch, mit Malerei, Druckgrafik oder z.B. mit der Schreibmaschine.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
In letzter Zeit sind in erster Linie Zeichnungen auf Papier entstanden. Allerdings würde ich nicht sagen dass dies mein bevorzugtes Material ist. Vielmehr läuft das bei mir in Phasen ab. Ich entdecke und erkunde Materialen und Techniken und bewege mich zwischen verschiedenen Medien hin und her – so bringt eine Werkreihe die nächste hervor und erweitert den eigenen Kosmos.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Ich bin ein menschlicher Drucker.
Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?
Jetzt gerade habe ich eine Phase, in der ich nur Entwürfe und Ideen erarbeite. Daran wird dann wieder eine Phase der Umsetzung anknüpfen. Das sieht dann in der Regel so aus, dass ich mich den ganzen Tag im Atelier verbarrikadiere und 10 Stunden am Tag zeichne. Das Ganze wird getragen von Musik und ein paar hastigen Mahlzeiten.
Wie sind Deine bisherigen Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?
Ich weiß nicht, ob ich wirklich in der Position bin, Ratschläge zu geben. Lange Zeit habe ich ohne Druck einfach vor mich hingearbeitet und ausprobiert. Erst nach meinem Abschluss habe ich auch vermehrt angefangen auszustellen und oft hat eine Ausstellung zur nächsten geführt. Das ist recht natürlich gewachsen und seitdem ist jedes Jahr ein gefühlter Schritt nach vorne. Letztes Jahr kamen die ersten internationalen Ausstellungen und Messebeteiligungen dazu und mit der ersten institutionellen Ausstellung klingt das Jahr 2019 dann aus.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt?
Was den eigenen Weg, Vermarktung und den Einstieg in den Kunstmarkt angeht, sehe ich darin in erster Linien Chancen. Durch soziale Netzwerke habe ich die Möglichkeit mich und meine Arbeit mit einfachen Mitteln in die Welt zu multiplizieren und mich mit anderen Menschen zu verknüpfen, ohne physisch präsent sein zu müssen. Dies fungiert in erster Linie als eine Art Türöffner – dann muss man allerdings auch noch live mit der eigenen Arbeit überzeugen.
Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?
Gerade ist meine Einzelausstellung “Errorsmith” im Pop68 in Köln ausgelaufen. Am 10. November eröffnet die Gruppenausstellung “Illusion Natur” im Museum Sinclair-Haus in Bad Homburg und Mitte November eröffnet meine Einzelausstellung in der Joshua Liner Gallery in New York.
Installationsansicht, Crystal Math, Schierke Seinecke Gallery, Frankfurt – Courtesy of Galerie Schierke Seinecke
Installationsansicht, Accumulation I & II, 2019, Tuschezeichnungen auf Papier, je 160 x 122 cm, Courtesy of Galerie Falko Alexander
Interview & Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Buy selected works by Arno Beck
Arno Beck
Likespeed, 2019
Letterpress-Druck
58,4 x 46,2 cm
Auflage: 30
600 EUR
Die Materialien der Malerei - Ein Gespräch mit der Künstlerin Laura Sachs
Laura Sachs, geboren 1985 in Darmstadt, studierte Philosophie und Kunst in Frankfurt am Main bevor sie von 2013 bis 2018 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Hubert Kiecol und Prof. Gregor Schneider studierte. 2017 erhielt sie den Kunstförderpreis "Von Rundstedt". Sie lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Düsseldorf. Im Sommer 2018 haben wir sie in ihrem Studio besucht.
Wann hast Du angefangen als Künstlerin zu arbeiten und warum?
Mein Interesse galt früh dem Zeichnen und dem Malen, später kam eine Faszination für diverse Materialien hinzu. Während meiner Schulzeit formulierte sich dann mein Wunsch nach Selbstständigkeit und die Idee, in einem Atelier zu arbeiten. Nach meinem Abitur habe ich andere Dinge ausprobiert und letztlich über das Verneinen dieser Wege immer wieder zu meiner künstlerischen Arbeit gefunden. Ich wollte selbst etwas Konkretes schaffen und mit meiner Arbeit auf den Punkt kommen. Im Grunde ist es bis heute das, was mich antreibt. Ein wesentlicher Schritt hin zum Selbstverständnis mit meiner Arbeit war dann letztlich mein Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Ich interessiere mich für das Konstruieren, für die unterschiedlichen Materialien, deren Beschaffenheit sowie für Farbe und deren Einsatzmöglichkeiten in gleichem Maße. Lange Zeit habe ich vorrangig gemalt und mich dennoch stets gleichzeitig mit dem Bildträger und dessen Material auseinandergesetzt. Umgekehrt spielte, wenn ich an Objekten gearbeitet habe, der Einsatz von Farbe stets eine große Rolle. Es war ein langer Prozess durch den ich verstanden habe, dass meine Arbeit die Themen der Malerei genauso wie die Themen des Objekts behandelt. Indem ich die Möglichkeiten der Bildfläche ausreize und die vermeintlichen Grenzen des Bildes hinterfrage, entstehen Assemblagen, die an einer Schnittstelle zwischen Malerei und Objekt stehen und die Möglichkeiten und Interaktion von Material und Farbe beleuchten. Aus der Malerei kommend habe ich dann an der Kunstakademie in zwei Bildhauerklassen, bei Hubert Kiecol und Gregor Schneider, studiert.
Wer oder was hat Dich beeinflusst?
Im Grunde haben mich Menschen inspiriert, die ihren Weg gehen, alternative Herangehensweisen gefunden und das gemacht haben, was sie erfüllt. In meiner Schulzeit interessierte mich am meisten der Kunstunterricht. Es bildete sich mein Zugang zu den Abstrakten Expressionisten sowie den Minimalisten. In Frankfurt am Main studierte ich Philosophie und Kunst auf Staatsexamen. In der damaligen Klasse für Malerei, bei Michael Jäger, wurde mir klar, dass ich es ernst meinte mit der Kunst und so begann ich nach meinem Abschluss mit dem Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf.
Du hast an der Kunstakademie Düsseldorf in den Klassen von Professor Hubert Kiecol und Professor Gregor Schneider studiert. Inwieweit hat das Dich und Deine Arbeiten geprägt?
Das Studium in zwei Bildhauerklassen hat mich als Malerin besser verstehen lassen, woher mein Interesse kommt, was ich tue und wo ich mich mit meiner Arbeit befinde. Die Beschäftigung mit nicht rein malerischen Fragestellungen hat meinen Blick auf meine Arbeit geschult. Ich habe gelernt genau hinzusehen, mich zu konzentrieren und mir keine Regeln aufzubauen, wenn sie mich einschränken.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?
Mein grundlegendes Anliegen ist die Malerei und die Frage nach ihren Materialien, die ich immer wieder aufs Neue verhandle. Die Schnittstelle und Interaktion von Farbe und Material beschäftigen mich genauso wie die Suche nach Klarheit und das Finden des richtigen Punktes zwischen Zuviel und Zuwenig, in Bezug auf Proportion und die Technik.
Konkret behandle ich die Leinwand und den Bildträger als autarkes Material und gehe auf deren spezifische Eigenschaften ein. Es geht mir jedoch gleichsam um die verschiedenen An- und Aufsichten der Leinwand, weil das augenscheinliche "flache Bild" für mich wie ein allansichtiges Objekt agiert. Die Kanten, Ecken und die dem Betrachter verborgene Rückseite bilden genauso wie die frontale Ansichtsfläche das Bild. Eine Arbeit setzt sich also aus vielen Ansichten und diversen Materialitäten zusammen.
Laura Sachs, Installationsansicht, 2018
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Aus der Malerei kommend, verwende ich zunächst klassische Materialien für den Bildkörper von dem ich ausgehe, wie Holz, Leinen oder Baumwolle und in den meisten Fällen Ölfarbe. Hinzu kommen weitere Materialien, wie beispielsweise Metall oder Holz, das ich manchen Arbeiten hinzufüge. Als Material bzw. Farbe benutze ich mittlerweile auch Lack, Pulver oder Staub aber möchte mich hierbei nicht festlegen.
Meine Arbeitsweise variiert. Momentan entstehen einige Arbeiten zum Beispiel durch eine Art Durchdruck-Verfahren, das von der Rückseite des letztendlichen Bildes ausgeht, was wiederum die Materialität von Farbe ins Blickfeld rückt. Andere Arbeiten entstehen, in einem weiteren Schritt, durch einen Abdruck bzw. einer Frottage, meist ausgehend von meinem direkten Umfeld in meinem Atelier. Diese werden in den meisten Fällen durch einen Metalleingriff ergänzt, welcher im Bild als gleichberechtigter Gesprächspartner agiert, die Bildfläche jedoch auch herausfordert.
Gibt es ein Werk, in das Du besonders viel Energie investiert hast?
In manche Arbeiten investiere ich viel Energie und Zeit, in andere wiederum weniger. Letztlich ist das nur schwer zu benennen und es sagt nichts über die Qualität einer Arbeit aus. Da alle Arbeiten aus einem fortlaufenden Prozess entstehen und ich meist an mehreren Arbeiten gleichzeitig arbeite, ist es für mich wichtig, den grundlegenden Prozess hin zum Bild am Laufen zu halten.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Ich mache Bilder, die sich mit der Frage nach den Materialien der Malerei beschäftigen.
Laura Sachs, Dusty R., 180 x 150 cm; Oil on Canvas, 2017
Laura Sachs, Edges I & Edges II, 42 x 30 cm, Oil and Dust on Canvas, 2018
Sammelst Du Arbeiten von anderen Künstlern?
Ich habe eine kleine Sammlung von Arbeiten. Hauptsächlich von befreundeten Künstlerinnen und Künstlern, die ich sehr schätze, wie beispielsweise von Berit Schneidereit, Kai Werner Schmidt und Stefan Bauer. Es begann damit, dass ich vor einigen Jahren spontan einen Druck von Olav Christopher Jenssen erwerben konnte.
Du bist Jahrgang 1985 und stehst am Anfang Deiner künstlerischen Schaffensphase. Wie sind Deine bisherigen Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern bzw. Akademie- Absolventen?
Bisher habe ich relativ wenig Erfahrung mit dem Kunstmarkt gesammelt. Dennoch versuche ich mir einen Eindruck darüber zu verschaffen, wie er funktioniert. Ich denke, das ist wichtig um eine Haltung ihm gegenüber zu entwickeln, wie auch immer diese ausfallen mag.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt?
Die Veränderungen, die ich persönlich bisher wahrnehme, haben meiner Ansicht nach ihre Vor- und Nachteile. Über Medien wie Instagram verbreiten sich Bilder heute schnell, man könnte sagen, der Kunstmarkt wird in irgendeiner Form globaler, dadurch, dass rein theoretisch jeder alles sofort ansehen kann. Vielleicht wird er dadurch auch demokratisiert. In jedem Fall scheint er offener und leichter zugänglich. Es kann durchaus interessant sein Arbeiten von anderen Künstlern und Ausstellungen zu sehen, sich hierüber kennenzulernen und sich zu vernetzen. Von Nachteil ist, dass sich Kunst auf diesem Wege nicht in voller Gänze erfassen lässt und viele wesentliche Eindrücke unerfahren bleiben. Letztlich bleibt die Frage danach, wieviel Wert wir der Kunst und damit ihrer Betrachtung bzw. dem Umgang mit ihr beimessen.
Hat das "klassische" Galeriemodel ausgedient?
Die sozialen Medien bedingen sicherlich langfristig einen Wandel in Bezug auf bisher vorherrschende Strukturen und es ist eine Entwicklung im Gange. Momentan steht dieser Wandel jedoch am Anfang und das klassische System funktioniert. Zur Kunst gehört meiner Ansicht nach einfach auch die Möglichkeit diese real zu erfahren und ansehen zu können.
Vielen Dank für das Gespräch, Laura!
Laura Sachs, Noon I (Black Painting) & Noon III (Black Painting), Oil, Dust and Metal on Canvas, 2018
Laura Sachs, Constellation II, 240 x 180 cm, Ink, Dust and Acrylic on Canvas, 2018
Laura Sachs, Ice, 140 x 100 cm, Ink and Metal on Canvas, 2018
Text & Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Installationsansichten: Kai Werner Schmidt
Die Akzeptanz von Chaos und Nichtwissen - Ein Gespräch mit der Künstlerin Ina Gerken
Ina Gerken, geboren 1987 in Speyer, hat von 2014 bis 2016 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Katharina Grosse studiert. Zuvor war Sie von 2007 bis 2013 in der Klasse bei Prof. Winfried Virnich an der Kunsthochschule Mainz. Die Meisterschülerin von Katharina Grosse ist u.a. Trägerin des Silkscreen Grant Awards 2017/18 der Lepsien Art Foundation. Sie lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Düsseldorf. Im April 2018 haben wir sie in ihrem Studio besucht.
Wann hast Du angefangen als Künstlerin zu arbeiten und warum?
Dafür gab es keinen richtigen Startpunkt in diesem Sinne; vielmehr war es ein Weg dorthin. Als Kind habe ich schon immer gerne gezeichnet und gemalt, aber ich wusste eigentlich nie was ich später einmal werden will. Irgendwann merkte ich allerdings, dass es in mir einen Drang und eine Notwendigkeit gab, künstlerisch zu arbeiten, die sich nicht einfach ignorieren ließen. Das war kurz vor meinem Wechsel an die Kunstakademie Düsseldorf, vor etwa fünf Jahren. Mit diesem Schritt war die Enscheidung als Künstlerin arbeiten zu wollen, getroffen, wenn auch das entsprechende Selbstverständnis wohl erst mit Beendigung des Studiums eingesetzt hat.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Schon bevor ich Kunst studiert habe, habe ich eigentlich immer gezeichnet und gemalt. In meiner Zeit an der Akademie habe ich dann nur noch gemalt und das hat sich so durchgezogen, wobei es in meinen Arbeiten heute auch wieder eine zeichnerische Komponente gibt. Ich habe also eigentlich nie etwas anderes ausprobiert, hatte aber auch kein Verlangen danach.
Wer oder was hat Dich beeinflusst?
Ich bin in einem Dorf in relativ konservativen Verhältnissen aufgewachsen. Mein Onkel war allerdings auch Maler und in meinem Elternhaus war ich umgeben von großformatigen, abstrakten Bildern, die ich stets bewundert habe. Im Nachhinen denke ich, dass diese mich auf jeden Fall in meinem Zugang zur Malerei und der Lust an Farbe beeinflusst haben.
Du hast 2016 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Katharina Grosse Deinen Abschluss gemacht. Zuvor hast Du von 2007 bis 2014 an der Kunsthochschule Mainz studiert. Inwieweit haben Katharina Grosse und Winfrid Virnich Dich und Deine Arbeiten geprägt? Welche Unterschiede siehst Du zwischen Düsseldorf und Mainz?
Die Kunstakademie Düsseldorf hat mich vor allem erstmal schockiert. Die Energie, die in der Akademie herrscht, habe ich einerseits als einzigartig und besonders, gleichzeitig aber auch als konkurrenzbehaftet und einschüchternd empfunden. Die Kunsthochschule in Mainz war natürlich viel kleiner und weniger renommiert – dort herrschte ein komplett anderes Klima. In der Mainzer Klasse von Winfrid Virnich wurde mir ein hohes Maß an Sensibilität gegenüber Malerei und dem Schauen vermittelt. In Düsseldorf hingegen stand für mich dann eher die Haltung gegenüber der eigenen Arbeit im Vordergrund. Katharina Grosse hatte zum Teil ungewöhnliche Ansätze, die einen neuen frischen Blick auf die eigene Arbeit ermöglichten. Der Wechsel nach Düsseldorf hat auf jeden Fall starke Auswirkungen auf meine Arbeit gehabt, die sicher notwendig waren. Trotzdem war es gut und wichtig für mich, beide Lehren, in Mainz und in Düsseldorf, erfahren zu dürfen.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?
Generell möchte ich mich natürlich durch Malerei ausdrücken, wobei ich dabei aber keinen bestimmten Ausdruck anstrebe. Dazu müsste ich mir ja vorher überlegen, welche Wirkung das Bild später haben soll und das liegt mir fern. Da ich ohne Konzept und ohne Vorskizzen arbeite, ist es vielmehr so, dass ich einfach mache und danach sehe was da ist. Mein Anliegen besteht wohl am ehesten darin: Das Nichtwissen, die Hilflosigkeit und das Chaos zu akzeptieren, eine eigene Ordnung zu finden und darauf zu vertrauen, dass da am Ende ein Bild ist. Das hat für mich viel mit dem menschlichen Dasein an sich zu tun.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Momentan arbeite ich mit Acrylfarben, Polyesterleinwand und Japanpapier, das ich in die Arbeiten mit einbaue. Ich mag das seltsam synthetische Weiß der Polyesterleinwand und ihre glatte Oberfläche, die sich für meine monotypische Arbeitsweise besonders gut eignet. Zusammen mit der Acrylfarbe und dem Japanpapier ergibt sich ein eher trockener Eindruck von Farbe (im Gegensatz zur fetten Ölfarbe), der den zeichnerischen Anteil in den Arbeiten besser sichtbar werden lässt.
Gibt es ein Werk, in das Du besonders viel Energie investiert hast?
Für meinen Abschluss an der Kunstakademie Düsseldorf, habe ich eine große Wandarbeit gemacht, für die ich mir bewusst einen Rahmen von drei Tagen gesetzt habe. In diese Arbeit habe ich auf jeden Fall sehr viel Energie investiert.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was sagst Du?
Ich würde dem Kind meine Bilder zeigen.
Sammelst Du Arbeiten von anderen Künstlern?
Unter Freundinnen und Freunden sowie Kollegen und Kolleginnen tauschen wir gerne Arbeiten. In meinem Wohnzimmer hängen momentan zum Beispiel zwei sehr schöne Arbeiten von Thomas Wachholz und Struan Teague.
Wie schätzt Du Kunst als Investment ein?
Darüber habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht. Ich stehe ja auf der anderen Seite.
Ina Gerken, Untitled (Blank Spots 4), Acrylic and Japanesepaper on Polyester Canvas, 100x80 cm, 2018 (Photo: A.R.)
Ina Gerken, Untitled (Blank Spots 3), Acrylic and Japanesepaper on Polyester Canvas, 100x80 cm, 2018 (Photo: A.R.)
Du bist Jahrgang 1987 und stehst am Anfang Deiner künstlerischen Schaffensphase. Wie sind Deine bisherigen Erfahrungen? Was rätst Du anderen jungen Künstlern und Absolventen?
Allzuviel kann ich zu diesem Thema bisher noch nicht sagen. Generell würde ich raten, sich zuallererst einmal auf seine eigene künstlerische Arbeit zu konzentrieren.
Inwieweit verändern die Digitalisierung und die Möglichkeiten der Selbstvermarktung den Kunstmarkt? Hat das "klassische" Galerie-Modell ausgedient?
Ich glaube nicht, dass das klassische Galerie-Modell ausgedient hat. Sicher eröffnet die Selbstvermarktung, insbesondere über Social-Media, ein neues Feld, in dem man selbst aktiver sein kann, was sicherlich auch eine Veränderung der Galerienlandschaft bewirkt. Trotzdem möchte ich meine Energie weiterhin vor allem für meine Arbeit im Atelier nutzen. Als Künstlerin ist es auch weiterhin mein größtes Interesse, echte Bilder in echten Räumen zu zeigen.
Vielen Dank für das Gespräch, Ina!
Text & Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Die Fülle der alltäglichen Eindrücke - Ein Gespräch mit der Künstlerin Natascha Schmitten
Natascha Schmitten wurde 1986 in Bonn geboren und hat bis 2014 an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert. Auf frische und undogmatische Weise erforscht sie malerische Möglichkeiten. Sie entwickelt ihre Arbeiten, die sich zwischen Abstraktion und Figuration bewegen, aus unzähligen, halbtransparenten Farbschichten, aufgetragen auf Polyestergewebe. Ihre Arbeiten sind ein spannungsreiches Spiel aus Farbflächen, durchlässigen Lasuren und subtilen Spuren. Die Meisterschülerin von Siegfried Anzinger ist Trägerin des Douglas Swan Förderpreises 2017 und Gewinnerin eines Anerkennungspreises im Rahmen des Strabag Art Award 2017. Sie arbeitet und lebt als freischaffende Künstlerin in Köln. Im April 2018 haben wir sie in ihrem Studio besucht.
Wann hast Du angefangen als Künstlerin zu arbeiten und was hat Dich motiviert?
Ich habe schon immer eine Art Selbstverständlichkeit in der Beobachtung gesehen. Vielleicht hat es also damit angefangen. Gleichzeitig habe ich früh versucht herauszufinden, wie Dinge funktionieren, wie sich Materialien verhalten und wie ich sie nutzen kann, um etwas zu erschaffen oder auszudrücken. Ich habe immer gemalt, gebaut und vor allem viel gezeichnet. An der Kunstakademie wurde mir dann ziemlich schnell klar, dass ich die vermeintliche Einfachheit eines Bildformates extrem spannend finde, und zwar so spannend, dass ich mir von Anfang an vorstellen konnte alleine innerhalb des Mediums Malerei einen riesigen Kosmos an Möglichkeiten aufzuspannen.
Gibt es Personen oder andere Künstler, die Dich künstlerisch beeinflusst haben?
Ich glaube, dass alles was uns umgibt, einen Pool an Eindrücken eröffnet und uns beeinflusst. Dazu gehört natürlich auch die Kunstgeschichte. Ich genieße es sehr, wenn mich Kunstwerke vollkommen einnehmen. Derzeit tun das beispielsweise Werke von Künstlern wie Diego Velázquez, Joan Mitchell, Philip Guston, Christopher Wool und Wolfgang Tillmans. Allerdings ist das für mich ursprünglich nicht der Anreiz gewesen selber Künstlerin zu werden bzw. künstlerisch aktiv zu sein. Es ist eher meine eigene haptische Erfahrung gewesen, die mich zu dem bewegt hat, was ich heute mache.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?
Es sind vor allem Schnittstellen zwischen realem Raum und Bildraum, die mich interessieren. Ich versuche gewissermaßen zu sezieren was mich umgibt. Das zu erfassen, was mir begegnet, es mit Hilfe von Licht und Schatten, Positiv und Negativ, zu erforschen. Es ist ein Wechselspiel aus Machen und Beobachten. Dabei verwebt sich eine sehr direkt Arbeitsweise, bei der ich mir der Entscheidungen, die ich treffe, bewusst bin, mit einer Art Forschungsdrang im Prozess des Malens zusätzliche Entdeckungen zu machen. Dazu gehört auch die Beobachtung der eigenen Wahrnehmung. Wie nehme ich beispielsweise etwas Dreidimensionales wahr, wenn es nur noch zweidimensional abgebildet wird? An welcher Stelle verschiebt sich Dargestelltes zur abstrakt gesehenen Fläche und wird somit bereits im realen Raum zu Malerei?
Mich interessiert letztlich die Verschiebung zwischen dem, was einen umgibt und einem Bild, was wirklich eindeutig zu sein scheint. Das Balancieren auf dem schmalen Grad zwischen nicht eindeutig wahrzunehmendem Bildsujet und dem Eindruck des Wiedererkennens von Vertrautem erzeugt für mich viel Spannung.
Der Betrachter erhält im Idealfall einen Zugang zu seiner eigenen Wachsamkeit durch die Möglichkeiten der Malerei.
Welche Techniken, Materialien und Formate bevorzugst Du?
Seit einigen Jahren arbeite ich bevorzugt auf einem Polyestergewebe. Der Stoff ist sehr transparent und fungiert somit schon als erste Lasur. Selbst wenn ich seine Lichtdurchlässigkeit mit einer ersten Lasur deutlich reduziere, behält er etwas glasiges und öffnet somit als Basisträger selbst den Raum.
Das Licht des Untergrundes bleibt bis zur letzten Schicht essentieller Bestandteil des Bildaufbaus innerhalb aller Arbeiten, die ich mache. Das ist sowohl bei Zeichnungen, Aquarellen und Lithografien so, als auch bei meinen Malereien.
Größtenteils arbeite ich mit Tusche und Ölfarbe, oft im Wechsel. Die Tusche provoziert mich zu einer gewissen Geschwindigkeit und sehr direkten Setzungen. Durch die Verwendung der Ölfarbe habe ich wiederum die Möglichkeit, auch im Nachhinein noch verschieben zu können oder Farbbrillanz auszufüllen. Fast so, als würde der Farbraum vibrieren und sich verändern, je nach Betrachtungswinkel.
Es ist ein Vor und Zurück der einzelnen Spuren, das meine Arbeit prägt, sowohl in kleinen als auch in großen Formaten. Um das Mittelformat schleiche ich interessanterweise seit Jahren herum.
Wie lange brauchst Du für eine Arbeit?
Das ist schwer zu sagen. Es gibt Arbeiten, die sind nach zwei Wochen fertig, andere wiederum benötigen Monate. Letztlich hängt es aber auch von den Trocknungsprozessen der einzelnen Lasuren ab. Besonders die Ölfarbe benötigt Zeit. Ich arbeite meist an mehreren Arbeiten parallel. Gelegentlich stelle ich aber auch Arbeiten für einige Wochen oder Monate weg, bevor ich an ihnen weiterarbeite.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du malst, was antwortest Du?
Die Fülle alltäglicher Eindrücke.
Sammelst Du Arbeiten von anderen Künstlern?
Bisher ist es zwar noch eine kleine Sammlung, aber ich freue mich sehr mit den Arbeiten anderer Künstler leben zu dürfen. Besonders die Arbeiten von befreundeten Künstlern wie beispielsweise die von Martin Noel, Vivian Greven, Natascha Borowsky, Dragutin Banic und Gereon Krebber schätze ich sehr.
Was rätst Du anderen jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?
Wachsamkeit.
Vielen Dank für das Gespräch, Natascha!
Text & Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Die Grenzgängerin - Ein Gespräch mit der Künstlerin Lia Sáile
Lia Sáile wurde 1985 im Ruhrgebiet geboren und studierte an der Universität Wien sowie der University of Malta Theater-, -Film und Medienwissenschaften. In ihrer zehnjährigen künstlerischen Praxis bewegt sie sich zwischen unterschiedlichen Medien und Formaten und setzt sich so mit (inter-)kulturellen, politischen und sozialen Themen auseinander. Was dabei entsteht, hat sie uns in Ihrem Studio verraten.
Du arbeitest in sehr verschiedenen Bereichen. Wo verortest Du Dich künstlerisch?
Interdisziplinär. Zum einen arbeite ich in verschiedenen Formaten, zum anderen greife ich im Arbeitsprozess - in Recherche und Methodik - auf andere Disziplinen, z.B. Philosophie oder Sozialwissenschaften, zurück. Die Querverbindungen und Beziehungen sind dabei am Ende nicht zwangsläufig in der Arbeit sichtbar. Die Arbeitsweise, sich zwischen den Formaten, Disziplinen und Expertisen zu bewegen, ist Resultat eines über die Jahre organisch gewachsenen Weges. So kann ich mich mit den Fragestellungen, die mich an- und umtreiben, am besten auseinandersetzen. Beispielsweise bin ich geladene "Artist in Residence" in der Whitebox in München und arbeite mit dem Sozial- und Religionsphilosophen Prof. Dr. Michael Reder von der Hochschule für Philosophie zusammen. Unser interdisziplinäres Projekt beschäftigt sich mit interkulturellen und interreligiösen Spannungsfeldern.
Wann hast Du angefangen als Künstlerin zu arbeiten und warum?
Es war immer eine unbedingte Notwendigkeit für mich, mit der Außenwelt in Verbindung zu treten und aus dieser Begegnung heraus etwas zu schaffen und erfahrbar zu machen. Das hatte ich schon als Kind, mit stundenlangem Erkunden, Malen und energischem Hinterfragen und Diskutieren – vermutlich zum Leidwesen aller Erwachsenen. Konkret komme ich aus den Bereichen Musik und Theater, speziell Schauspiel und Gesang. Dann kam Fotografie hinzu, die dann im Studium in Videoarbeiten mündete. In der Kunst fühle ich mich frei. Die Möglichkeiten des Fragens, Aufzeigens, des Berührens und Gebens sind hier unendlich. Formgebung ist für mich dabei etwas Fließendes. Es ist ein fordernder, komplexer Beruf, der bei weitem nicht nur angenehm ist und dessen problematische Seiten unterschätzt werden. Für mich läuft im Künstlerischen alles zusammen, was mich antreibt, mich interessiert und herausfordert, alles, was ich brauche und vor allem alles, was ich geben möchte.
Du hast in Wien Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert und Dich an der University of Malta in Philosophie und Kunstgeschichte weitergebildet. Inwieweit haben diese Studien Dein heutiges Schaffen beeinflusst?
Das Studium hat meine künstlerische Praxis kontinuierlich geprägt; die Medienwissenschaft bildete von Beginn an das Rückgrat meiner Arbeit, sei es der Input selbst oder Analytik und Methodik. Auch die Auseinandersetzung mit Körper und Raum, Künstlichkeit und Kulisse, Kontinuität und Bruch, Konstruktion und Spiegelung von Wirklichkeit aus dem theatralen und filmischen Kontext sind bis heute Quellen, auf die ich zurückgreife. Im Verbund mit Kunstgeschichte und Philosophie entstehen spannende Wechselwirkungen. Dazu kommt demnächst der postgraduale Abschluss an der Kunsthochschule für Medien in Köln, in deren praktisches Weiterbildungsprogramm ich im Bereich Medienkunst aufgenommen wurde.
Hast Du eine Art Königsdisziplin, ein Medium, in dem Du Dich zuhause fühlst?
Vermutlich haben mich filmische und fotografische Herangehensweisen am stärksten geprägt - ich bin stark visuell verankert. Eine Kamera ist mir als technisches Werkzeug sehr vertraut. Selbst wenn ich dreidimensional, wie im öffentlichen Raum arbeite, überprüfe ich die Umsetzungsplanung häufig abschließend mit dem "fotografischen Blick". Nach dem Visuellen kommt gleich alles dreidimensional Räumliche. Bei der Formatwahl geht es mir um Wirkungsweisen, Erfahrungsräume, emotionale Zugänglichkeit und Assoziationsräume. Nach diesen Kriterien ergibt sich je nach Thema das Medium. Häufig beginnt schon die Grundidee in einer bestimmten Form.
Wie erklärst Du Deine Arbeitsweise einem Außenstehenden?
Was mir auffällt, ist, dass ich gerne zwischen den Medien, Materialien und Formen changiere sowie neue einbringe, um Raum für das Ungewisse zu schaffen. Das hat für mich eine spielerisch experimentelle Komponente, fordert aber vor allem heraus. Das gilt sowohl technisch als auch inhaltlich, da die Umsetzung die Wirkungsweisen des Inhaltes formt. Alles Ungewohnte bedingt Offenheit und Auseinandersetzung, um weiterzukommen. Dieser Weg ist zwar intensiv, da man selten in den Autopiloten schalten kann, aber sehr lohnend im Resultat. Das umschließt dann auch den Austausch mit technischen oder themenbezogenen Experten, die wiederum neue Dynamiken einbringen, sodass sich Synergien bilden können. Unsicherheit bedeutet kreative Reibung. Die westliche Gesellschaft hat Angst vor Risiken und Fehlern, aber gerade da liegt großes Potential.
„In der Kunst wünsche ich mir generell mehr Risikobereitschaft und weniger klinische, vorhersehbare Produktions- und Zeige-Mechanismen.“
Du hast schon ein großes Spektrum an Projekten aufgestellt. Gibt es thematisch einen roten Faden, der sich durch Deine Arbeiten zieht?
Das wiederkehrende, verbindende Element ist bisher wohl die Grenze. Deren Überschreitung, Übergänge und Zwischenräume interessieren mich vor allem im interkulturellen, politischen und sozialen Kontext, aber auch strategisch in der Umsetzung. Inhaltlich finde ich den Mechanismus der Grenzziehung und des Öffnens sowie seiner Zwischenmomente sehr spannend. Da wäre zum Beispiel der Prozess individueller, aber auch kollektiver Identitätsbildung, speziell in Bezug auf Zugehörigkeit, Nationalität, Kultur. Dabei interessieren mich sowohl deren Wandlungsprozesse als auch deren Wiedereinschreibung. Das berührt dann Themen wie das gesellschaftliche oder persönliche Selbstbild, Herkunft, das Zuhause. Damit habe ich mich zum Beispiel in der ortsspezifischen Installation "Home Away From Home" (Sightfenster/Cityleaks Festival, Köln, 2017) beschäftigt, in der das Bild, das man sich vom "Fremden" macht, die Bedeutung und Funktionsweise des Zuhauses und die Wahrnehmung vom Anderen hinterfragt werden. Die Installation war von der Straße aus durchgehend einsehbar. Das Ausstellungsfenster ist in einem temporären Wohnheim für Asylsuchende situiert, das wiederum direkt vis-á-vis zu einem Hotel steht. Der Ort ist in sich schon spannungsvoll aufgeladen, entsprechend behutsam und nahbar musste die Arbeit sein. Ich habe fiktive Türen sowie eine reale Tür auf Stoffbahnen gedruckt und nebeneinander gereiht, die knapp über einem Sand-Boden schwebten. Darüber stand in leuchtender Neonschrift "Home" auf der einen und "Away From Home" auf der anderen Fensterseite. Dazwischen stand die Tür zum Sicherheitsdienst des Hauses, die als einzige reale Replikation aufgegriffen wurde. Der Titel bedeutet im Englischen tatsächlich "Zweites Zuhause". Den Text zur Arbeit habe ich ins Englische, Arabische, Persische und Französische übersetzen lassen.
Installationsansicht, Home Away From Home, Sightfenster/Cityleaks Festival, Lia Sáile, Köln, 2017
Was fasziniert Dich an der Grenze?
Formal und auf inhaltlicher Ebene ist für mich ihre Beweglichkeit spannend, und dass sie, je nach Kontext, anders definiert und bewertet wird, verhandelt wird, sich verschiebt, gar auflöst oder neu konstruiert wird. Es bilden sich bewegliche Schwellen und Zwischenbereiche. Es gibt verschiedene Durchlässigkeitsstufen und Sichtbarkeiten von Grenzformen. Jegliches Dazwischen ist ein spannungsgeladener Moment des Übergangs, der Auflösung, des nicht klar Definierten. Zum Beispiel auf verschiedene Sichtbarkeitsnuancen greife ich inhaltlich und formal immer wieder zurück. Das Beobachten der Bewegung von Nebel, der die Sicht auf den anvisierten Berg im Video-Triptychon The Mountain Emerges (2013) nie ganz zulässt, ist hier ein gutes Beispiel. Selbst das sehr konkrete Mauer-Projekt Largest Common Divider (Wien, 2014-15), in dem drei lebensgroße Grenzmauern aus Beton und Stahl an drei öffentlichen Orten in Wien aufgebaut wurden, bedient sich unter anderem der Versperrung der Sicht.
Mich interessiert im Grenzkontext die Konstruktion des "Anderen". Das hat eine stark politische und soziologische Dimension, die auf Ab-/Aus-Grenzung basiert. Marginalisierte Räume sind im Bereich gesellschaftlicher und politischer Ausschlussprinzipien sehr aufschlussreich. In Aachen arbeite ich gerade an einem Projekt zur städtisch ausgelobten bauplanerischen Neugestaltung eines Stadtteils nahe des Doms. Dort wird als Teil dieser Gentrifizierung eine Straße, in der ausschließlich 30 Bordelle stehen, abgerissen und neu aufgebaut. Am Ende derselben Straße ist ein Bordell-Komplex geplant. Der Prozess läuft seit einigen Jahren. An der Entwicklung sind Stadtplaner, Zuhälter, Architekten, Politiker, Investoren und Sozialarbeiter beteiligt. Da greifen sehr komplexe Bereiche ineinander: Politik, Gesellschaft, Recht, Kriminalität, Wirtschaft, Migration, Arbeit, Schicht, etc. Den direkten Zugang habe ich über Roshan Heiler bekommen, Leiterin einer Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel und Frauen in der Prostitution in Aachen, Teil der abolitionistischen Frauenrechtsorganisation Solwodi (Solidarity for women in distress). In dem stadtplanerischen Vorhaben Aachens und dem Umgang mit eben diesem wird "Sexarbeit" als Abseits, als blinder Fleck der Gesellschaft, aber vor allem auch als Macht-Raum in Form systemischer Strukturen erkennbar. Da entwickle ich gerade Strategien, diese Grenzen und Zwischenräume herauszuarbeiten.
Installationsansicht, USA/Mexico Barrier, Largest Common Divider, Lia Sáile, Margaretengürtel, Wien, 2014-2015, Foto: Severin Koller
Film-Still, Einlagerung Israel/West Bank Wall, Blank Space, Largest Common Divider, Lia Sáile, Österreich, 2014
Installationsansicht, Belfast Peace Line, Largest Common Divider, Museumsquartier, Wien, 2014-2015, Foto: Severin Koller
Du bezeichnest Dich selbst als nomadisch. Was genau bedeutet das und inwieweit ist das wichtig für Deine Arbeit und wirkt sich darauf aus?
Das Nomadische ist vielleicht ein zu romantisierter Begriff, der leicht in den Exotismus abgleiten kann, aber das Bild empfinde ich als passend. Viele meiner bisherigen Arbeiten sind im Ausland konzipiert oder entstanden - das inkludiert auch meine Ausstellungspraxis. Generell reise ich viel. Reisen ist ein Luxus, aber auch Ausdruck dieser Zeit, der vernetzten Welt. Das Nomadische hat für mich aber nicht nur die physische Komponente. Sich zwischen kulturellen und gedanklichen Räumen, Reflexions-Räumen, zu bewegen, ist mir wichtig, also, in Bewegung zu bleiben und Wege zu finden, in Kontakt zu kommen, Hintergründe zu hinterfragen, in Austausch zu gehen mit dem, was war, was ist, was berührt. Ich setze also verschiedene Wirklichkeits-Fragmente und -Konzepte in Beziehung und entwickle Formen, deren Spannungsfelder erfahrbar zu machen.
Vielen Dank Lia für das Gespräch!
Text & Fotos: Jennifer Rumbach
Produktion: Christoph Blank
Fotogene Zeichnungen - Ein Gespräch mit der Künstlerin Berit Schneidereit
Berit Schneidereit ist 1988 in Frankfurt am Main geboren und hat bis 2017 an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert. Die Meisterschülerin von Andreas Gurksy arbeitet und lebt als freischaffende Künstlerin in Düsseldorf. Im Januar 2018 haben wir sie in ihrem Studio besucht.
Wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten und warum?
Das ist schwierig zu sagen. Wann ist man ein Künstler? Meine Entscheidung etwas formulieren zu wollen, fiel schon vor dem Studium. Sich zu finden, dass heißt eine eigene Sprache zu entwickelt, war ein Prozess. Ich habe die ersten Jahre in einer Bildhauerklasse studiert und war so angehalten meine Arbeiten aus einer anderen Perspektive heraus zu betrachten. Auf diese Weise war ich immer wieder aufgefordert, meine Vorliebe für das Medium der Fotografie bzw. das Arbeiten mit lichtsensitivem Material vor anderen Positionen zu hinterfragen. Dieser Diskurs war für mich und das, was ich heute mache, sehr wichtig.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Zeichnen, dreidimensionales Arbeiten oder die Fotografie waren schon früh Teil meiner Sprache. Während eines Auslandsjahres habe ich dann die Dunkelkammer für mich entdeckt. Die ersten Bilder, die dort entstanden, waren Fotogramme meiner Hand, später von Stoffen. Als ich angefangen habe an der Akademie zu studieren, war dies mein Ausgangspunkt und eine Technik, die nach wie vor, ob direkt oder indirekt, einen wesentlichen Teil meiner Arbeit ausmacht.
Wer oder was hat Dich beeinflusst?
Das ist nicht einfach einzugrenzen. Die ersten fotografischen Arbeiten wie der "Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras" von Nicéphore Niépce oder die fotogenen Zeichnungen von William Henry Fox Talbot sind für mich wichtige Bezugspunkte, genauso die Werke des Bauhaus, beispielsweise der Licht-Raum Modulator von Lazlo Moholy-Nagy. Einer meiner favorisierten Orte in Düsseldorf ist der Amerikanersaal im K20. Die Werke von Ellsworth Kelly und Ad Reinhardt zu sehen, ist beeindruckend. Ich habe 2010 die black paintings, die letzten Bilder, im Josef Albers Museum in Bottrop sehen können. Diese Ausstellung hat definitiv ihre Spuren hinterlassen. Häufig sind es aber auch Gebäude oder Gärten, denn ein Teil meiner Arbeiten entsteht außerhalb des Ateliers. Spezifische Orte, die eine besondere Rolle innerhalb des urbanen Raumes spielen oder gespielt haben, interessieren mich sehr.
Du hast 2017 in der Klasse von Andreas Gursky an der Kunstakademie Düsseldorf Deinen Abschluss gemacht. Inwieweit prägt das Deine Arbeiten?
Dieses Fokussieren zwischen Nähe und Ferne, winzigen Details und dem großen Ganzen, ist inhaltlich wie formal für mich sehr spannend. Auf den ersten Blick gibt es bei meinen Arbeiten vielleicht keine direkten Bezüge, aber in der Herangehensweise definitiv Ähnlichkeiten. Letztlich sind seine Werke auch ein Teil meines visuellen Gedächtnisses und haben mich schon zu einem früheren Zeitpunkt geprägt.
Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?
Meine Arbeiten setzen sich aus verschiedenen Techniken und Strategien zusammen. Ihnen gemeinsam ist ein Wunsch des Erfassens. Eine Analyse dessen, was Bildraum und realer Raum kommunizieren. Dabei zeige ich Details, Nebenschauplätze, die, herausgelöst aus ihrem Kontext und durch meine Eingriffe, eine besondere Kraft entwickeln. In der Umsetzung sind es vielmehr gedachte als reale Räume, die sich manchmal auch völlig abstrakt in den Bildern wieder finden. Die Interaktion von Natur und Architektur wird dabei immer wieder thematisiert. Es ist ein Spiel mit Nähe und Distanz, Realität und Suggestion. Die Übertragung des Bildes in ein anderes Medium, vom Positiv zum Negativ und zurück, hinterlässt Spuren und Fehler, die einen aufmerksamen Blick fordern. Dieser Prozess führt zu einer weiteren Distanzierung und Abstraktion. Im Kontext einer Ausstellung funktionieren die Arbeiten wie Fenster, die den realen Raum um eine Parallelwelt erweitern.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Ich springe gerne zwischen den Techniken. Analoge und digitale Fotografie, experimentelle Techniken wie die des Fotogramms. Für meine Arbeiten entstehen auch hybride Formen aus diesen verschiedenen Etappen der Fotografie-Geschichte. Ich versuche möglichst frei und unvoreingenommen gegenüber den einzelnen Techniken zu sein, um für meine Arbeiten eine geeignete Form zu finden. Ich bin in dieser Hinsicht keine Dogmatikerin. Das Medium der Fotografie hat in seiner Entwicklung viele unterschiedliche Wege der Bildproduktion hervor gebracht, die ich für mich nutzen kann. Ein Teil dieses Prozesses ist sicherlich auch der Zufall. Das Arbeiten in der Dunkelkammer lässt mir viel Freiraum für Experimente. Mein bevorzugtes Material und Ausgangspunkt ist daher in der Summe der Techniken das Licht.
Gibt es ein Werk, in das Du besonders viel Energie und Gefühl investiert hast?
Nein, ich denke nicht. Es kann sein, dass bestimmte Arbeiten in der Umsetzung komplizierter sind und daher mehr Zeit brauchen, aber erstmal gehe ich an alle Arbeiten mit gleich viel Energie und Gefühl heran.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Schattenzeichnungen
Das ist interessant, da Du ja überhaupt nicht zeichnest!
Ich denke an Zeichnungen eher im übertragenen Sinn. Die Unmittelbarkeit meines Ausdrucks ist ebenso ein wesentlicher Teil des Fotogramms. Hinzu kommt natürlich die Tatsache, dass diese Arbeiten ebensowenig reproduzierbar sind. Talbot verwendete für seine frühen Werke den Begriff der "fotogenen Zeichnung", den ich treffend finde.
Sammelst Du Arbeiten von anderen Künstlern?
Sammeln kann man es vielleicht noch nicht nennen, aber ich besitze einige Arbeiten von befreundeten Künstlerinnen und Künstlern wie Vivian Greven, Laura Sachs oder Sebastian Wickeroth, die ich sehr schätze. Interessanterweise sind bisher alle Arbeiten schwarz-weiß!
Du bist jung und stehst am Anfang Deiner künstlerischen Schaffensphase. Wie sind Deine bisherigen Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du anderen jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?
Da ich im Februar 2017 meinen Abschluss an der Akademie gemacht habe, ist der Kunstmarkt für mich ebenfalls noch relativ unbekanntes Gebiet. Allerdings habe ich versucht mir während des Studiums vieles anzusehen, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, welcher Weg für mich interessant sein könnte.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt?
Für den Kunstmarkt zu sprechen, empfinde ich als schwierig. Ich merke aber, dass sich die Art und Weise wie man heute Kunst digital kommuniziert einen großen Einfluss auf ihre Rezeption hat. Für mich als Künstlerin ist es auf der einen Seite bereichernd, da ich über Medien wie Instagram mit sehr viel Kunst konfrontiert werde und demnach weitaus mehr sehe als mir über Ausstellungsbesuche möglich wäre. Auf der anderen Seite führt es zu einer gewissen Oberflächlichkeit, die ich problematisch finde. Letztlich ist es immer etwas anders mit einem Kunstwerk im Raum zu interagieren. Aspekte wie Material und Präsenz sind nur im realen Raum in ihrem vollen Ausmaß erfassbar. Letztlich untergräbt diese Form der Kunstrezeption die eigene Sensibilität.
Vielen Dank für das Gespräch, Berit!
Text & Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach
Fotos (Installationsansichten): Terrain, 2017, COSAR HMT
Nähe und Distanz - Ein Gespräch mit der Künstlerin Vivian Greven
Vivian Greven ist 1985 in Bonn geboren und hat von 2006 bis 2015 an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert. Seither arbeitet sie als freischaffende Künstlerin in Düsseldorf. Im Sommer 2017 haben wir sie in ihrem Atelier besucht.
Wie bist Du dazu gekommen, Künstlerin zu werden? Wie hat sich das ergeben?
Seitdem ich denken kann, verspüre ich eine dringliche Notwendigkeit, etwas zu versprachlichen. Ich hab schon früh Musik gemacht, Theater gespielt und gezeichnet. Das hat mich immer begleitet und zunehmend mehr Raum gefordert. Irgendwann wurde es unumgänglich zu erkennen, dass ich Künstlerin bin und sein möchte. Das ist aber noch gar nicht so lange her, dass diese Einsicht für mich zutrifft. Ich habe lange reifen müssen, um diesen Gedanken auch aushalten zu können.
Also gab es keinen Knackpunkt. Es war eher ein Prozess?
Im Nachhinein, wenn ich mich als Kind betrachte, würde ich sagen, dass alles schon da war. Es ist irgendwie mit mir gewachsen. Da war immer eine Art Brennen und Jucken.
Wenn ich mir Deinen Lebenslauf anschaue, warst Du auch mal an der Bergischen Universität Wuppertal. Hast Du dort zu Ende studiert?
Ich habe parallel zum Studium an der Kunstakademie Anglistik und Amerikanistik mit dem Schwerpunkt Literaturwissenschaften in Wuppertal studiert und darin auch meinen Abschluss gemacht. Ich war wissenshungrig, offen und hatte Zeit. Ich fand es immer privilegiert studieren zu dürfen und habe dankbar alles mitgenommen. Ich wusste damals, ich kann das einsetzen, sowohl für meine Kunst als auch für meine Persönlichkeit. Im Nachhinein bin ich glücklich, denn ich fühle mich reich. Das ist jetzt alles in mir. Ich fühle mich geweitet.
Und wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Ich habe ja zunächst Malerei studiert und mich sozusagen primär im Bild bewegt. Das wissenschaftliche Studium lief nebenher. Ich hatte folglich zum einen etwas gedanklich, Wissenschaftliches und zum anderen etwas sehr Malerisches und Visuelles. Das waren zwei Felder die sich nicht sehr stark ins Gehege gekommen sind, die ich scheinbar ein Stück weit voneinander trennen konnte. Nachdem mein wissenschaftliches Studium beendet war, habe ich noch mal eine Wende gemacht und eine Bildhauerklasse besucht. Das war im Nachhinein beobachtet ein starker Bruch. Das hatte einen großen Einfluss auf meine Bilder und meine künstlerische Arbeit hat sich visuell und inhaltlich verschoben. Sie hat dadurch einen stärkeren konzeptuellen Mitklang bekommen, der vorher vielleicht nicht so sichtbar war und nun offensichtlicher wurde.
Hast Du Dich auch mal verlaufen?
Das ist interessant. Ich glaube, ich habe dazu eine andere Wahrnehmung als das, was von außen an mich herangetragen wird. Ein Freund sagte mir kürzlich, die Dinge fügen sich sehr gut, passen gut zueinander, vom Anfang meines künstlerischen Schaffens bis hierhin. Ich selber habe die Zeit als enorm anstrengend empfunden und als sehr wellenartig, mit Irrwegen und Sackgassen. Das hat mich viel Kraft gekostet. Am schwierigsten war und ist wohl, mich zu dem zu bekennen, was da ist und nicht was sein soll. Es ist schwer nicht etwas anderes sein zu wollen. Es ist überhaupt schwer, zu sein und nicht zu wollen. Nicht einem Strom nachzugehen oder einer Richtung nachzulaufen, die irgendwer bejaht, sondern wirklich aufzuräumen. Zu schauen: Was ist die Essenz? Wenn nichts ist, was ist dann? Das ist anstrengend. Aber mein Freund hat recht, wenn ich mir die letzten Jahre meiner Schaffensphase anschaue, dann erkenne auch ich im Nachhinein einen Zusammenhang, auch wenn es sich in dem Moment als ich die Arbeiten gemacht habe, ganz anders angefühlt hat. So nahm ich doch bei jeder Wende an, ich würde mich selbst revolutionieren… das finde ich jetzt lustig.
Die Arbeiten, die ich von Dir gesehen habe, beschäftigen sich ja meistens mit Menschen und Gesichtern. Was fasziniert Dich so daran?
Malerei ist für mich ein Stück weit wie eine Haut, wie eine Oberfläche, die mit mir kommuniziert. In meinen Arbeiten geht es immer wiederkehrend um Kontakt. Ein Gemälde stellt ja ohnehin schon einen Kontakt her. Der Mensch als zentrales Thema oder als zentrale Form ist für mich dabei ein hilfreiches Mittel. Zum einen, würde die Malerei mich ohne Form vermutlich überrennen. Zum anderen, kann ich mich mit der Figur identifizieren. Empathie empfinden. Mit ihr in einen vis-à-vis Kontakt treten. Das ist ein Dialog. Letzten Endes ist dazu aber keine Figur von Nöten. Ich habe mir aktuell Werke von Lucas Cranach angeschaut. Beim Betrachten trete ich mit ihm und seiner Darstellung in Kontakt, kann seine Haltung und die Wahrnehmung seiner Welt spüren. Diese Art von Kommunikation ist großartig an der Kunst. Sie öffnet Türen und schlägt Brücken über Orte und Zeiten. Durch das Anschauen der Bilder komme ich also in einen direkten Kontakt mit ihm. Das fühlt sich sehr lebendig an.
Wo wir gerade bei Lucas Cranach sind... Deine Malerei weist einige Parallelen zur Malerei der Alten Meister auf. Fühlst Du Dich dadurch inspiriert?
Ja, sicherlich. Altmeisterliche Malerei würde ich jetzt dennoch nicht als mein Hauptsteckenpferd bezeichnen. Jetzt fällt mir gerade auf, dass ich gar nicht genau weiß, was altmeisterliche Malerei bedeutet. Wer sind die alten Meister? Wer ist der kunsthistorisch erste, wer der letzte? Eigentlich versuche ich offen durch die Zeiten zu gehen. So beschäftigen mich in diesem Moment besonders Holbein, Vermeer, Canova, Ingres, Rothko, Hockney, Cranach, Jonathan Bragton und Louise Giovanelli. Das kann aber morgen schon etwas anders sein. Ich würde sagen, dass ich mich in meiner Recherche hin- und her bewege und daraus fruchtbares Material gewinne, um damit zu arbeiten.
Im Gegensatz zur altmeisterlichen Malerei, wo der Mensch ja oft sehr genau und detailreich dargestellt wird, reduzierst Du Deine Bilder. Was ist für Dich das Wesentliche an Deinen Arbeiten?
Ich denke meine Arbeiten begehen eine Schnittstelle, welche ein Defizit aufweist. Ich möchte Arbeiten erschaffen, die so sinnlich sind, dass man ihnen näher treten möchte, sie berühren will oder sich von ihnen berühren lässt. Gleichzeitig verschließen sich die Bilder auch wieder. Ich kann letzten Endes nicht ganz in das Gemälde eintauchen oder mit der Figur verschmelzen. Da ist etwas sehr Zartes und gleichzeitig sehr Bitteres, wie ein Streicheln und dann eine darauffolgende Enttäuschung. Das hat viel mit meiner eigenen menschlichen Erfahrung zu tun. Die Erfahrung, die ich in dieser Welt darüber gemacht habe, wie es ist, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Ich habe das Gefühl, eigentlich sind wir einsame Wesen. Nähe hat immer auch Distanz als Gegenüber. So ist vielleicht aber das System. Das Leben hat ja auch immer den Tod als Gegenüber. Das schlägt sich in meiner Malerei nieder und das spiegelt sich auch in der Reduzierung, die da visuell stattfindet. Deshalb sieht man zum Beispiel nur das Schema eines Gesichtes - im Begriff haptisch und körperlich zu werden und dann doch wieder in der Auflösung schwindend. Farbflächen ummanteln und können teilweise so konkret werden wie ein Gegenüber. Eine weitere Figur? Es ist ein visuelles Wechselspiel zwischen Konkretion und Auflösung - Nähe und Distanz.
Vivian Greven, GRAZIA, Installationsansicht, Aurel Scheibler, 2017. Vivian Greven, Courtesy Aurel Scheibler, Berlin. Foto: Eric Tschernow
Gibt es ein Werk, in das Du besonders viel Energie und Gefühl investiert hast?
Das kann ich so nicht sagen. Ich versuche eigentlich jedes Werk gleichwertig zu behandeln. Vielleicht gibt es hinterher Werke, die ich lieber mag als andere. Aber wenn ich etwas beginne und erschaffe bin ich zunächst in einem ernsten Zeugungsakt. Mit Gefühl beim Schaffensprozess dabei sein, ist gut, aber im Grunde bin ich auch relativ kühl wenn ich male. Mir ist es wichtig auch eine Distanz zu haben, sonst bringe mich zu sehr ein. Das Bild muss atmen können.
Wenn Dich ein Kind fragen würde, was Du malst, was würdest Du antworten?
Was siehst Du?
Vielen Dank für das Gespräch, Vivian!
Das Gespräch führten Jennifer Rumbach und Christoph Blank
Text & Fotos: Jennifer Rumbach
Produktion: Christoph Blank
Kunst vermag mehr, als man ihr gemeinhin zubilligt - Ein Gespräch mit Detlev Foth
Wenn es um Malerei geht, scheint alles bereits gesagt und bleibt ebenso wie zu allen Zeiten letztlich unbeantwortet. Bediente sich die Malerei der Worte, könnte sie auf ihre ihr eigene und die sie bedingende Formen- und Bildsprache verzichten.
Und obwohl dies so ist und gerade weil dies so ist, reizen Versuche, die Malerei und vornehmlich natürlich die eigene Malerei zu erklären, einen Maler immer wieder. Detlev Foth wagt diesen Versuch und weist darauf hin, dass seine Ausführungen keinen wissenschaftlichen Anspruch erheben wollen und können. Er versucht lediglich, seine persönlichen Erfahrungen und Ansichten mitzuteilen, in der Hoffnung, beim Leser Neugier und Interesse zu wecken.
Detlev Foth kommt im Jahr 1959 in Münster in Westfalen zur Welt. Schon als junger Mann arbeitet er mit Kurt Link zusammen, der in Düsseldorf als Künstler tätig ist. 1979 nimmt Detlev Foth dann selbst ein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie auf und wird 1985 Meisterschüler bei Rissa. Detlev Foth lebt und arbeitet in Düsseldorf.
Was ist Kunst? Diese häufig und in hartnäckiger Weise formulierte Frage wird ebenso oft gestellt wie notdürftig und zumeist falsch beantwortet. Diese Frage ist durchaus legitim, wenn auch naiv. Eine solche Frage sollte erst, wenn überhaupt, nach eingehenden Studien der Kunst im Allgemeinen und der Malerei im Besonderen, gestattet sein. Dies behauptet Foth aus dem einfachen Grund, weil sich nur durchvergleichendes Studium von malerischen Werken eine Sichtweise des Sehens, ein sogenanntes sicheres Auge, entwickeln kann. Man erspart sich einige Mühe und sehr viel Zeit, indem man überdies zunächst versucht herauszufinden, was keine Kunst ist und keine sein kann.
Es gibt dieses bekannte Bonmot von Max Liebermann: Kunst kommt von Können- käme es von Wollen, hieße es Wulst. Das ist heiter, aber nicht sehr klug. Weiser erscheint Foth ein Gedanke von Theodor W. Adorno: Der Zweck des Kunstwerks ist die Bestimmtheit des Unbestimmten.
„Nehme ich den Zweck des Kunstwerkes als seinen Sinn und seine Bedingung, und betrachte ich den Willen, das Unbestimmte zu bestimmen, als unbedingt, so wäre das eine Definition, die meiner Ansicht entspricht und die der Liebermanns im Grunde widerspricht.“
Es führt nicht weit, wenn man das Wesen und den Wert von Malerei auf rein handwerkliche Qualität reduziert. Kunst vollzieht sich erst dann, wenn es die rein handwerkliche Qualität hinter sich lässt, sich möglichst weit von ihr entfernt.
Wenn man ernsthaft über Kunst spricht, so ist vorauszusetzen, dass man Kunst meint, die selbstverständlich auf einem handwerklich hohen Niveau basiert, ansonsten wäre der Versuch einer Begriffsbestimmung unseriös.
Die Bestimmtheit des Unbestimmten zu bezeichnen, das ist das Kunstwerk. In der Landschaftsmalerei bedeutet das: die Landschaft hinter der Landschaft darzustellen, das Wesen der Landschaft also. In der Portraitmalerei: die psychologische Analyse des Dargestellten über eine vorauszusetzende äußerliche Ähnlichkeit hinaus bildnerisch vorzunehmen. In der Aktmalerei: das über die Nacktheit Hinausgehende aufzuzeigen, in der Architekturmalerei, die über rein perspektivische Feststellungen und Unterstreichungen des Faktischenhinausgehende bildnerisch sich manifestierende Wahrnehmung zu formulieren.
Um sich der Kunst, in diesem Fall der bildnerische Kunst, anzunähern, sollte man versuchen, sein Sehen zu schärfen, sein Sehen vielmehr neu zu erlernen wie das Vokabular einer neuen Sprache. Man sollte sich eine Unschuld des Sehens zurück erobern bei gleichzeitigzu erhöhendem und zu verfeinerndem Reflektionsniveau.
Man mag Foth verzeihen, dass er nur knapp auf die gängige Formel, Kunst sei, was gefalle, eingeht. Diese Ansicht ist, einmal davon abgesehen unendlich töricht zu sein, grundfalsch. Was nicht gefällt, kann durchaus hohe Kunst sein. Wirklicher Kunstgenuss und damit einhergehende Erkenntnis setzt, entgegen weit verbreiteter Ansicht, tatsächlich eine relative Bildung voraus. Einzige Ausnahme bildet die kindhafte Kunsterschließung.
Kunst vermag mehr, als man ihr gemeinhin zubilligt, sie ist unabhängig, nicht zu bändigen, geht ausschließlich eigene und stets unvorhersehbare Wege, sie erfindet die Welt immer wieder neu, ist nahezu nicht kategorisierbar, es sei denn auf sehr grobe Art, sie ist, mit einem Wort, unerträglich eigenartig. Und daher ist das Verhältnis zwischen den Kunstwerken und Ihren Liebhabern immer ein schwieriges und das Verhältnis zwischen ihnen und denen, die sie nicht oder falsch verstehen, von ganz eigener Art.
Fotos: Jörg Strehlau