The Matter Matter Matters. Kunst zwischen Individuum und Kollektiv
Der Kunstverein Friedrichshafen zeigt bis zum 16. November 2025 die Ausstellung The Matter Matter Matters der Künstlergruppe Dorf. Das Kollektiv wurde 2017 von Andi Fischer, Michael Guenzer, Conny Maier und Dennis Buck gegründet und beschäftigt sich mit grundlegenden Fragen künstlerischer Praxis: Wer trägt Verantwortung für ein Werk, wenn Autorenschaft nicht mehr allein einer Person zugeschrieben wird? Und welche Bedeutung erhält der ländliche Raum, wenn er nicht länger als Randerscheinung, sondern als eigenständiger Ort künstlerischer Produktion verstanden wird?
Die Ausstellung verbindet individuelle künstlerische Positionen mit gemeinschaftlichen Prozessen und macht sichtbar, wie stark Fragmentierung und Verflechtung Teil zeitgenössischer Produktion sind.
Im Erdgeschoss entsteht eine fiktive Marktplatz-Szenerie: Fassaden, mit Ölstift gezeichnet, bilden eine Kulisse, in deren Fenstern und Wänden Malerei, Zeichnung und skulpturale Arbeiten der Künstlergruppe gezeigt werden. So werden individuelle Handschriften nicht isoliert, sondern in ein Geflecht gegenseitiger Bezüge eingebunden. Der Marktplatz fungiert dabei als Sinnbild einer geteilten Öffentlichkeit, in der persönliche Ausdrucksformen und kollektive Strukturen einander bedingen.
Gleichzeitig stellt diese Inszenierung eine kritische Reflexion gängiger Ausstellungspraxis dar. Der White Cube, klassisch als neutraler Raum gedacht, wird hier als sozial aufgeladene, durchlässige Struktur neu interpretiert. Der Marktplatz erscheint nicht als nostalgische Rückblende, sondern als Denkmodell, das institutionelle Exklusivität in Frage stellt und neue Möglichkeiten öffnet, Kunst abseits marktorientierter oder urban geprägter Relevanz zu verhandeln.
Im Obergeschoss verschiebt sich der Fokus auf kollaborative Malerei. Hier entstehen Arbeiten, deren Urheberschaft nicht mehr eindeutig erkennbar ist. Linien, Spuren und Eingriffe überlagern sich, sodass das fertige Werk Ergebnis eines offenen Prozesses ist. Diese Form gemeinschaftlicher Produktion widersetzt sich der Idee des autonomen, abgeschlossenen Subjekts und entwickelt stattdessen ein relationales, dynamisches Verständnis künstlerischer Praxis.
Die Ausstellung verzichtet bewusst auf eindeutige Zuschreibungen. Weder das Dorf als Ort noch das Werk als Ausdruck lassen sich hier klar festlegen. Vielmehr öffnen sich zwei Perspektiven auf eine gemeinsame Fragestellung: Wie lässt sich Kunst denken, zeigen und produzieren, wenn sie nicht von einem Zentrum, sondern von vielen Stimmen ausgeht?