Stadt als Puls: Susanne Bonowicz’ Verdichtungen des Urbanen
Susanne Bonowicz’ Malerei begreift die Stadt als vielschichtiges Resonanzfeld, als Gewebe aus Fragmenten, das niemals in einem abgeschlossenen Bild zur Ruhe kommt. Ihr malerischer Prozess bewegt sich dabei stets zwischen Konstruktion und Dekonstruktion. Flächen werden gezielt angelegt, abgeklebt, aufgebaut und wieder überlagert. Gleichzeitig bricht Bonowicz diese Ordnung durch spontane Gesten auf: pseudotypografische Schriftzüge, flirrende Linien oder organische Formen, die aus dem Moment heraus entstehen, fügen sich in das Gefüge ein. Acryl und Acrylmarker auf Leinwand, kombiniert mit Bleistift und Buntstift auf Papier, eröffnen ein breites Feld, in dem Kalkül und Intuition untrennbar ineinandergreifen. Die Materialität selbst trägt zum Spannungsverhältnis zwischen Ordnung und Unvorhersehbarkeit bei: Bonowicz’ Malerei schwingt zwischen präziser Setzung und gestischem Impuls, zwischen einem kontrollierten Aufbau und dem Vertrauen in den Zufall. Stadt erscheint bei Bonowicz nicht als architektonisches Konstrukt, sondern als lebendige Haut, durchzogen von Erinnerungen, Geräuschen, Lichtern und dem Atem des Flüchtigen.
So wirken Werke wie „Micro Experience“ (2022) oder „Valley of Windows“ (2022) nichtdokumentarisch, sondern prozesshaft. Der Blick verfängt sich in klaren Linien, verliert sich im nächsten Moment in farbigen Nebeln, um sich gleich darauf an einer geometrischen Form erneut zu orientieren. Dieses Schwingen zwischen Struktur und Auflösung macht die Malerei selbst zu einem Akt des Flanierens: ein ständiges Pendeln zwischen Halt und Drift, zwischen Orientierung und Entgleiten.
Besonders eindrucksvoll zeigt sich dieses Prinzip in „And the Stars Look Very Different Today“ (2025). Hier löst sich die urbane Fragmentierung in eine kosmische Dimension auf. Mit dem Acrylmarker gezogene Linien erinnern an Fassaden, Fenster oder Straßenraster, kippen jedoch in eine Weite, die kaum noch städtisch genannt werden kann. Das Werk öffnet die Malerei hin zu einem Raum, in dem Erinnerung und Projektion ununterscheidbar werden – als ob die Stadt in eine andere Sphäre transformiert, in der Vertrautes und Fremdes ineinander übergehen.
In der Ausstellung „Assembled Forms“ (2023) im Werk „Within You Without You“ wird dieses Spannungsfeld anders gefasst: Geometrische Strukturen und gestische Linien konkurrieren um den Vorrang, verweben sich aber zugleich zu einem vibrierenden Ganzen. Ordnung und Auflösung erscheinen hier nicht als Gegensätze, sondern als Kräfte, die sich gegenseitig beleben. Natur tritt in solchen Momenten wie ein subtiles Echo auf – nicht als romantischer Gegenentwurf, sondern als organische Geste, die das Rasterhafte stört und zugleich bereichert.
Auch in großformatigen Arbeiten wie dem monumentalen Diptychon „Fragments of Transience“ (2022) zeigt sich die Tendenz zur Verdichtung. Vertikale und horizontale Bewegungen pulsieren über die Bildfläche, überlagert von Farbspritzern, die wie digitale Artefakte wirken. Das Bild wird zu einem atmenden Organ, das flimmert und sich ausdehnt. Erinnerung erscheint hier nicht als Motiv, sondern als energetischer Zustand, der im Wechsel von Ruhe und Vibration erfahrbar wird.
Ein ähnliches Prinzip verfolgt die Arbeit „Over the Airspace“ (2023), in der Rasterungen und gestische Einsprengsel nicht nur urbane Strukturen andeuten, sondern auch wie eine kartografische Topografie gelesen werden können. Bonowicz deutet hier an, dass Stadt nicht allein auf der Oberfläche erfahrbar ist, sondern immer auch als imaginäre Landschaft, die sich über den physischen Raum hinaus ausdehnt.
Auch frühere Projekte wie „From 10967–12059“ (on paper) (2020) lassen erkennen, wie stark Bonowicz die Erfahrung des Urbanen mit der Idee des Seriellen verknüpft. Die nummerierten Kleinskizzen wirken wie ein Versuch, städtische Zählzeit festzuhalten – ein visuelles Protokoll, das sich dem Verwehen entgegenstellt und zugleich dessen Flüchtigkeit sichtbar macht.
Ihre Malerei bleibt jedoch nie bei der bloßen Beobachtung stehen. Sie schreibt sich ein in ein Spannungsfeld, in dem Natur und Kultur keine Gegensätze sind, sondern einander durchdringen. Grünspuren und organische Linien tauchen inmitten geometrischer Raster auf, als leise Widerrede gegen die reine Ordnung, aber auch als Bereicherung, die das Bild um eine weitere Schicht erweitert. In dieser Durchlässigkeit wird Bonowicz’ Werk zu einer Reflexion darüber, wie sich Stadt nicht nur baut, sondern auch erträumt und erinnert wird.
So entfaltet sich ihr Œuvre als ein Archiv ohne feste Ordnung, als visuelle Choreografie, in der Stadt und Natur, Erinnerung und Gegenwart unauflöslich miteinander verwoben sind. Die Leinwand wird zum Resonanzraum, in dem sich Wahrnehmung materialisiert – nicht als fester Begriff, sondern als Prozess, der ständig in Bewegung bleibt. Bonowicz fordert ihre Betrachtenden auf, sich einzulassen auf das Flirren, auf die Überlagerungen und Zwischenräume, die nicht fixieren, sondern öffnen.
Aktuell arbeitet Susanne Bonowicz an verschiedenen Serien für unterschiedliche Projekte, unter anderem mit der Galerie von Wegen in Hamburg. Zeitgleich sind neue Werke in der Galerie OFFICE IMPART in Berlin zu sehen. So bleibt ihr Werk in Bewegung – offen, suchend, in einem kontinuierlichen Schwingen zwischen Bildraum und Wahrnehmung, zwischen präzisem Aufbau und intuitiver Geste.