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Malerei mit Umwegen – Béla Pablo Janssen im Gespräch mit Christoph Blank

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BPJ eignet sich die Welt im Zeichnen und Filmen an, schafft wiederkehrende Motive und verfügt über ein Archiv von Bilderlebnissen, die er auf seine gegenwärtigen Arbeiten ausstrahlen lässt. Poster, Publikationen, Gefundenes oder Objekte erzeugen mit Zeichnungen und Gemälden eine greifbare Vorstellung von einem Künstlerleben. Gleiche Motive tauchen in verschiedenen Zusammenhängen auf, bilden eine visuelle Klammer zu verschiedenen Szenen, die den Bezug zur Person des Künstlers - zum Portrait eines Künstlers und zur realen Person - herstellt.
— Kölner artothek, 2018
 
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Béla Pablo Janssen (BPJ) wurde 1981 in Köln geboren, wo er heute lebt und arbeitet. 2012 Abschluss als Meisterschüler bei Walter Dahn, Klasse Malerei, HBK Hochschule für bildende Künste Braunschweig; 2018 Penthouse Art Residency in Brüssel; 2018 – 2019 the ART foundation, Tokyo, THE SUN IS RISING BEHIND ABSTRACTION; 2020 Kunststiftung NRW, Visuelle Kunst, Künstlerbuch BÉLA PABLO. Ende April haben wir BPJ in seinem Studio in Köln zum Gespräch getroffen.

Wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten?

Ich habe nie aufgehört. Das es Kunst ist, was ich da mache, habe ich mit 28 Jahren für mich entschieden. Und dann fingen die Bredouille und der Spaß erst richtig an. Meine Entscheidung für die Kunst, hieß für mich mit meinem vollen Namen zu veröffentlichen und ins eigene Atelier zu gehen. Ohne Pseudonyme, ohne die Stärke und Verantwortung in den Künstlergruppen und Aktionen, die seit meinem Studium in Hamburg für mich wichtig waren. Es war aber kein drop out aus Kollaborationen aber eine wesentliche Entscheidung für alles ab 2009.

Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?

Ich erzähle, dass es für mich künstlerisch gesehen gar keinen Sonnenaufgang gibt. Wenn man mir nicht glaubt, versuche ich es anders und behaupte, dass “morgens nie endet”. Spätestens dann bin ich in der Erklärungs-Bredouille. Und um da heraus zu kommen, fangen wir hoffentlich an zu lachen oder zeichnen uns den Weg zum Verständnis auf Papier.

Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?

Ich habe von meinen Eltern und Freunden früh Unterstützung erhalten. Meine Eltern und mein Umfeld haben mich inspiriert. Wenn meine Ideen und Vorstellungen nicht gefruchtet hätten, wäre es eher ein Kampf als ein Tanz mit der mich umgebenden Welt geworden. Und ich tanze lieber als zu kämpfen. Was wiederum nicht heißt, dass ich mein Schaffen nicht stetig reflektiere und hinterfrage.

 
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Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?

Porridge frühstücken. Ungefähr um 10 Uhr morgens im Studio. Den Anschluss zum Vortag hinbekommen. Beim Arbeiten mit Sascha Hohn aka Block Barley über Lautsprecher am Telefon sprechen. Mittags auf dem Melaten Friedhof schreiben, schnitzen oder lesen. Ich esse spät. Erst Nachmittags. Béla à la meng: Kartoffel, Möhre, Ei und Moringa. Gegen 18 – 20 Uhr im Atelier Besuch bekommen. Dienstags besuche ich meinen Vater auf seinem Marktstand und schaue danach bei König im Schaufenster Buchtitel.

Wer oder was hat Dich beeinflusst? Was inspiriert Dich?

Es ist vielleicht dem zurückliegenden Winter und der Zurückgezogenheit der Jahre 2020/21 geschuldet, dass ich auf eine Filmdokumentation (1) hinweise, die mich zuletzt ungemein inspiriert hat. Die Propriozeption (2), hört sich ganz schön sperrig an, hat aber mit meinen Bildern oder mit dem was mich inspiriert, viel zu tun. Wenn Marguerite Duras ihre Protagonisten in ihrem Film India Song (3) sagen lässt, dass Langeweile wohl etwas mit der Erdanziehungskraft zu tun habe, dann fühle ich mich gedanklich zu Hause. So heißt dann auch mal eine Arbeit oder die Solo Show 2019 von mir in der GALERIE ALBER “Schwerkraft als Problem der Malerei”. Und Malerei ist hier eine Referenz auf Kunst und Kunst eine Referenz auf was? Wie ich eben sagte, da fangen die Bredouille und der Spaß erst richtig an.

Was ist Dein Antrieb als Künstler?

Dieses eine Anliegen, der eine Antrieb oder den Ausdruck gibt es für mich nicht. Das sind ja die Bredouille und der Spaß. Ich habe zuletzt eine mögliche Antwort von Gilles Deleuze an Serge Daney, auf die Frage, warum die Zahl 3 in seinen Analysen so häufig auftaucht, entdeckt. Er vermutet dort: “Vielleicht weil 3 manchmal alles schließt und 2 auf 1 zurückfließen lässt, manchmal dagegen 2 fortreißt und fern der Einheit fliehen lässt, öffnet und rettet.“ (4)

Das hat mich bestärkt, weil es auf die Bewegung hinweist und meinem Begriff von Kunst hier im Sinne der Filmkritik sehr nahekommt. Nur damit es klar wird, ich transkribiere während des Denkens und in Gesprächen meine Arbeit. Meine Übersetzung ist nur eine von vielen Übersetzungen.

Eine typische Angewohnheit von Dir?

Improvisierend. Mir eine Arbeitsgrundlage schaffen.

Denkst Du die Kunst vom Medium und Material her oder vom Thema?

Marshall McLuhan lies den eigentlichen Buchtitel “the medium is the message” auch als “the medium is the massage” gelten (5), obwohl es ein Druckfehler war. Vielleicht sein populärster Satz überhaupt. Hier kommt alles zusammen. Thema: Medientheorie, Material: Buchdruck und Medium: Beides. Plus dem Zufall zwischen beidem.

Gibt es etwas, das Kunst nicht darf?

Ja! Kunst darf den Zufall nicht ausschließen.

Inwieweit haben Akademien und Professoren Dich und Deine Arbeiten geprägt?

In Hamburg war das Künstlerhaus Wendenstrasse 45 genauso wichtig wie Professorin Anke Feuchtenberger (6) und Professor Asmus Tietchens (7), beide an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften. 2008 bis 2010 war ich in der Freien Klasse der Universität der Künste in Berlin. Dort luden wir uns Künstlerinnen und Künstler ein und diskutierten und schafften ohne Professur. Unter “Mama Akademia” könnte man meine Kindheit und Jugend beschreiben; der Kreis um meine Mutter herum. Die Hip-Hop-Akademie hat für mich mit 13 Jahren angefangen, was zu frühen Sprachkenntnissen, nächtlichen Wanderungen, Wandtafelbildern und Mixtapes führte.

Ich will sagen, dass die Akademien und Professoren nicht immer Aufschluss geben. Das Umfeld ist viel entscheidender. Problematisch finde ich auch die Fragestellung, also die einseitige Prägung hervorzuheben.

Nach Sister Corita Kent und John Cages Regelwerk Rules (8) heißt es sehr schön: Rule One: Find a place you trust, and then try trusting it for a while. Rule Two: General duties of a student — pull everything out of your teacher; pull everything out of your fellow students. Rule Three: General duties of a teacher — pull everything out of your students.

Meinen Abschluss als Meisterschüler in Malerei habe ich in Walter Dahns Klasse 2012 in Braunschweig gemacht. Wir kannten uns über das ComeTogether Projekt in Köln. Ich wollte zu ihm in die Klasse. Walter sagte zu mir, ich würde bei ihm bloß noch fertigmachen. Das wir dann gemeinsam mit Thomas Wachholz von Köln hin und her fuhren und Walter später ein Atelier mit Jan-Paul Evers und mir teilte ergab sich aus dem gemeinsamen Arbeiten. Walter ist ein sehr guter Lehrer gewesen und vertrauter Freund geblieben. Mit ihm konnte ich ab 2010 meine neuen Fragen an die Kunstwelt mit all ihrem Spaß und ihrer Bredouille teilen. Vielleicht hat sich bei mir, durch Walter Dahn, zuletzt so etwas wie ein poetischer Konzeptualismus bestärkt.

Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?

Malerei mit Umwegen, um es wirklich kurz zu fassen. Jedes weitere Detail will in meinen Arbeiten entdeckt werden um nicht ins Aufzählen zu verfallen.

Kaufst Du Kunst?

Ja! Vom Kölnischen Kunstverein die Editionen und auf Reisen mal ein Blatt oder einen Kunstkatalog. Ich mache auch gerne Tauschgeschäfte und Kollaborationen mit Künstlerinnen und Künstlern. Dadurch besitze ich einige Arbeiten von Basile, Dahn, Król, Meiré, Wachholz, Wohnseifer, Zenses, etc.

Welches Museen und welche Galerien beeindruckt Dich?

Haus der Kulturen der Welt (HKW), Kolumda in Köln, BQ Berlin, Babara Wien Berlin, Sprüth Magers, Museumsinsel Hombroich, David Zwirner (NYC), Mizuma Art Gallery (Tokyo)

Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht?

2021: Lutz Mommartz (Kunstahalle Düsseldorf), 2020: Dynamische Räume und John Dewey, who? (M. Ludwig, Köln); Spielstrasse München 1972 (Skulpturen Museum Glaskasten Marl); Aby Warburg: Bilderatlas Mnemosyne (HKW, Berlin); Hubert Fichte: Liebe und Ethnologie (HKW, Berlin), 2019: Jetzt! Junge Malerei in Deutschland (Kunstmuseum Bonn), 2018: Chris Maker (BOZAR, Brüssel)

Künstler und Künstlerinnen, die Dich beeindrucken?

Chris Maker, Rosemarie Trockel, Bas Jan Ader, Marguerite Duras, Arthur Jafa, Kasimir Malevitsch, Claude Monet, Lee Lozano, Jean Cocteau, Agnès Varda, Michel Mouffe, Pina Bausch, Rei Kawakubo, James Baldwin, Francis Bebey, Tadao Andō, Georges Adéagbo, Maya Deren, etc.

 
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Wie sind Deine Erfahrungen im Kunstmarkt? Hast Du einen Rat für junge Kollegen und Kolleginnen?

Lange hatte ich keine Anbindung an den Kunstmarkt und seine Protagonisten und Protagonistinnen. 2014 mit meinen Galerievertretungen in Paris und Brüssel habe ich Anschluss gefunden. Fünf Jahre später und bis heute erfolgte dann die enge Zusammenarbeit mit Denisa und Marco Alber in der GALERIE ALBER in Köln. Seit 2014 pflege ich Kontakte zu Freunden und Sammlern, die mir eine Arbeitsgrundlage im Austausch von Arbeiten ermöglichen. Zusätzlich zu den Verkäufen über meine Galerie. Mein Rat: Tritt der richtigen Person, zur richtigen Zeit gegen das Knie. So bleibst Du schnell in Erinnerung. Was Du dann daraus machst, bleibt Deiner Verantwortung überlassen.

Was zeichnet die Kunstszene im Rheinland für Dich aus?

Ein Grund 2008 aus Berlin wieder nach Köln zurück zu kommen, war die Nahbarkeit der Szene hier in Köln. Also Künstler und Künstlerinnen, die in Köln unterwegs und offen für Gespräche, aber auch international oder überregional sichtbar sind. Das hat sich für mich auch wieder geändert, warum ich dann ab 2014, wieder viel in Brüssel, Berlin, Paris und an anderen Orten bin, also zu dem wurde was ich in Köln suchte.

Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?

Aktuell ist meine zweite Soloshow “morgens endet nie” bei GALERIE ALBER in Köln mit neuen Bildern zu sehen. Hinzu kommen eine Duo Ausstellung mit Tom Król auf Ibiza und in Hamburg im Kunstraum Studio45 eine Tapemosphere (9) mit Block Barley und Balz Isler. Im Grouven Atelier auf einem Bauernhof, bei Ira Bartel, arbeite ich an einer großen Sammlung von abgerissen und gesammelten Plakaten unter dem Arbeitstitel “Anarchive 2021 – 2008”.

 
Galerie Alber, Installationsansichten, 2021

Galerie Alber, Installationsansichten, 2021

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  1. Unser geheimer 6. Sinn, Regie: Vincent Amouroux, 2019, Frankreich, ARTE F: https://www.arte.tv/de/videos/073879-000-A/unser-geheimer-6-sinn/

  2. Propriozeption: https://de.wikipedia.org/wiki/Propriozeption

  3. India Song: https://www.youtube.com/watch?v=laUM85wOcPA

  4. Gilles Deleuze an Serge Daney. In: Serge Daney, Cine-Journal, Vorwor, Edition Cahiers du cinéma. S. 117 in Gilles Deleuze, Unterhandlungen 1972-1990, edition suhrkamp

  5. the medium is the massage: https://www.klett-cotta.de/buch/Tropen-Sachbuch/Das_Medium_ist_die_Massage/15902

  6. Anke Feuchtenberger: http://www.ankefeuchtenberger.de/die-skelettfrau/

  7. Asmus Tietchens: https://de.wikipedia.org/wiki/Asmus_Tietchens

  8. Sister Corita Kent und John Cage Regelwerk Rules: https://improvisedlife.com/2018/08/01/10-enduring-rules-creative-life-sister-corita-kent-john-cage/

  9. Tapemosphere: http://tapemosphere.org/