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Bilder müssen in die Welt hinaus - Ruth Polleit Riechert im Gespräch mit Carolin Israel

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Seit ihrem Aufenthalt Anfang 2018 in Bogotá, Kolumbien, hat Carolin Israel eine Menge neuer Aspekte in ihre Arbeiten einfließen lassen. Zeit, die Künstlerin in ihrem Atelier in Düsseldorf zu besuchen.

Carolin Israel wurde 1990 in Chemnitz geboren. Sie hat 2014 ihr Kunststudium an der Kunstakademie in Dresden abgeschlossen. Von 2015 bis 2016 studierte sie bei Katharina Grosse und Tomma Abts an der Kunstakademie Düsseldorf. Im Jahr 2017 arbeitete sie in New York City. Sie erhielt zahlreiche Stipendien und Preise, darunter das Lucas Cranach Stipendium der Stadt Wittenberg im Jahr 2014. Ihre Arbeiten wurden bereits in Deutschland, der Schweiz, England und Südamerika ausgestellt.

 
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Kannst Du Dich erinnern, wann Du Dich als Kind das erste Mal mit Kunst beschäftigt hast?

Das erste Kunstwerk, das ich wahrnahm und dem ich in meinem Leben bisher die meisten Gedanken geschenkt habe, ist “Der arme Poet” von Karl Spitzweg. Eine Kopie des Bildes hing in der unbeheizten, dunklen Schlafkammer meiner Uroma. Wenn ich dort zu Besuch war, zog mich die bedrückend melancholische Stimmung des Bildes magisch an. Wohl tausend Mal stellte ich mir vor, wie der Poet den Schirm, der über ihm an der Wand schwebt, nicht fest angebracht hat, sondern lediglich wieder und wieder mit den Fingern nach oben schnippt. Das Bild fängt – so betrachtet – den Moment vor dem Fall ein. Wenn ich darüber nachdenke, ist dieser kippende Moment einer potentiellen Bewegung – etwas, was mich in meinen Arbeiten bis heute fasziniert.

Zu Beginn diesen Jahres bist Du zum Studienaufenthalt in Kolumbien gewesen. Im vergangenen Jahr in New York. Welche Rolle spielen Reisen für Deine Arbeit?

Das Reisen ist für meine Arbeit unglaublich wertvoll. Ich habe dabei das Gefühl, die Zeit anhalten zu können und in wenigen Tagen soviel zu erleben wie sonst in mehreren Wochen. Am liebsten bin ich mit einem Projekt oder einer Ausstellung vor Ort, um direkt in Kontakt zu treten, die Kultur kennen zu lernen und meine Arbeit in einer neuen Umgebung zu reflektieren. In Kolumbien bin ich dem Impuls gefolgt, meine Malereien auf Papier in den Raum hinein zu ziehen und zum ersten Mal installativ zu zeigen. Oft zehre ich Monate von den Reiseerfahrungen zurück im Atelier.

Setzt Du Dich mit dem Thema Natur in Deiner Arbeit auseinander?

In meinen Arbeiten spiegelt sich visuell meine Auseinandersetzung mit der organischen Umgebung, mit Pflanze, Tier, Meer und Landschaft wider. Die Natur ist für mich eine wichtige und wertzuschätzende Ressource, nicht nur für die Kunst. Ich versuche so bewusst wie möglich zu leben, die Natur zu schützen und bedacht zu nutzen. Bei der Erholung, der Ernährung oder der Fortbewegung. Wenn möglich, nehme ich lieber Bus und Bahn als zu fliegen und leihe mir ein Auto, statt eines zu besitzen. Ich denke, wir müssen alle lernen, an Materiellem und an Komfort zu verzichten, um uns diese Welt so zu erhalten, wie sie ist.

An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?

Ende des Jahres wird das Debutalbum der Band “Collector” veröffentlicht. Für ihr Cover habe ich eine Malerei im Sinne der Musik entworfen. Ihre atmosphärisch-surrealen Klänge weisen erstaunlich viele Parallelen zu meinen Bildern auf. Ich bin gespannt auf den Release am 7. Dezember im “objekt klein a” in Dresden.

Du malst sehr vielschichtig und jedes Bild gibt ein kleines Rätsel auf. Es gibt immer Neues zu entdecken. Wie entsteht ein Bild?

Ich arbeite sehr selten mit Vorlagen oder Skizzen. Wenn ich anfangs mit einer konkreten Idee arbeite, dann löst sich das Bild schnell vom zuvor Geplanten und weicht ins Intuitive aus. Meist zieht sich aber eine Kernidee oder eine Atmosphäre durch den gesamten Malprozess durch, der Monate, aber auch mal Jahre dauern kann bis das Bild auf den Punkt ist.

In diesem Jahr sind Deine Arbeiten “leichter” geworden. Wie ist Dein Malprozess? Hast Du bevorzugte Materialien und Techniken?

Ich benutze zur Zeit gern Spray, Airbrush und laufende Farbe auf Papier, welches als Untergrund eine ganz eigene Struktur und Rohheit aufweist. Das Material ist sehr leicht und transportabel, was mir vor allem für Ausstellungen im Ausland entgegen kommt.

Gibt es verschiedene Werkphasen, die Du rückblickend erkennen kannst?

Ein großer Schritt war es, nach jahrelangem Aktstudium die Figur hinter mir zu lassen und mich ohne Vorlage der eigenen Farbwelt und Imagination zu widmen.

Persönlich interessiert mich, ob Du einen Unterschied in der Wahrnehmung als Frau in der Kunst feststellen kannst? Oder geht es letztlich nur um Qualität?

Es geht nur um Qualität. Falls es aber um Quantität geht, stehen wir gut da. Es gibt 3,85 Milliarden Frauen und 3,78 Milliarden Männer auf der Erde.

Sammelst Du Kunst?

Ja. Tatsächlich umgebe ich mich privat nicht gern mit eigenen Arbeiten, sondern lieber mit denen von Freunden und Kollegen wie Eric Keller, Pauline Stopp, Theresa Weber. Darüber hinaus besitze ich Grafiken von Christine Ebersbach, Walter Herzog und Thomas Scheibitz.

Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt?

Ich sehe, dass man derzeit mit Instagram, Onlinemagazinen oder allgemein digitalen Präsentationen für Kunst eine enorm breite Plattform und Öffentlichkeit schaffen kann. Es ist vielleicht eine sehr visuelle und schnelllebige Aufmerksamkeit die man erlangt, aber doch eine Möglichkeit über seine Bekanntenkreise hinaus gesehen zu werden. Es setzt dem exklusiven Beziehungsgeflecht der wichtigen Größen in der Kunstwelt ein demokratischeres System entgegen.

Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen?

Ich freue mich auf unser im neuen Jahr geplantes Residency mit RPR ART auf Mallorca. Wir werden dort mit anderen deutschen Künstlern eine Ausstellung mit den Werken, die dort entstehen, zeigen. Bei der darauffolgenden Show in Frankfurt arbeiten wir mit mallorquinischen Künstlern zusammen.

Hast Du ein Lieblingswerk, von dem Du Dich nie trennen würdest?

Nein. Die Bilder müssen in die Welt hinaus.

Vielen Dank für das Gespräch, Carolin!

Das Gespräch führte Dr. Ruth Polleit Riechert von RPR ART. Ausgewählte Arbeiten von Carolin Israel sind über www.rpr-art.com zu erwerben.

 
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Website

www.carolin-israel.de

Interview

Ruth Polleit Riechert

Produktion

Christoph Blank

Fotos

Jennifer Rumbach