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Vom Skelett zum Exoskelett – Paul Schuseil über seinen Weg zur Plastik

Paul Schuseil – Foto: Lukas Gartiser

Paul Schuseil – Foto: Lukas Gartiser

 

Paul Schuseil wurde 1989 in Speyer geboren. Er studierte Kunst an der Kunsthochschule Mainz bei Prof. Martin Schwenk und an der Kunstakademie Düsseldorf, die er als Meisterschüler von Prof. Thomas Grünfeld abschloss. Er wurde mit Stipendien der Deutschen Studienstiftung und des Eramus-Programms gefördert sowie mit dem Förderpreis der Kunsthochschule Mainz ausgezeichnet.

Seine Werke wurden in zahlreichen Ausstellungen in Deutschland und auf Mallorca, Spanien, gezeigt und werden derzeit in einer Gruppenausstellung im K21 Düsseldorf ausgestellt.

Paul, wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten und warum? Wann hast Du Dich das erste Mal mit Kunst beschäftigt?

Ein Freund meiner Eltern ist Künstler und Comicliebhaber. Da sein Atelier sich in unserem Haus befand, hatte ich unter anderem beim Ausleihen von Comic-Heften schon früh Kontakt zur Kunst. Die Entwicklung zum Künstler war also ein schleichender Prozess : Vom Kind das gerne malt, zum Schüler, der den Schwerpunkt möglichst auf den Kunstunterricht legte hin zum Kunststudium. Hier stand sofort das freie eigenständige Arbeiten im Vordergrund und damit einhergehend auch gewissermaßen die Tätigkeit als Künstler, wenn auch im geschützten Rahmen einer Institution. Vor kurzem habe ich bei einem Einreisedokument im Urlaub, direkt nach dem Abschluss, zum ersten Mal in der Rubrik Beruf artist und nicht mehr student geschrieben – da kam spätestens die Erkenntnis dass ich nun Künstler bin.

Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?

Nach einem kurzen Start in der Malerei (die mir jedoch als eher geschlossene Welt vorkam) entschied ich mich nach dem Orientierungsjahr für eine Bildhauereiklasse. Dort sah ich alle Möglichkeiten experimentell weiterzuarbeiten. Im Werkzeugschrank gab es eine Stichsäge und dank Renovierungsmaßnahmen auch einige Spanplatten in Form alter Schränke. Dies war der Startschuss für ein modulares Arbeiten mit Steckverbindungen, welches ich bis heute häufig nutze. Dabei sind nie geschlossene Körper entstanden sondern offene skelettartige Gebilde, die teils wie Unterkonstruktionen erscheinen. Anfangs war es ein intuitives Arbeiten ohne Masterplan - von einer Verbindung zur nächsten. Ich hatte das Arbeitsmotto „Heute tun, morgen denken“. Später entstanden benutzbare möbelartige Objekte und Medienstationen mit einem Interesse am Phänomen der Synästhesie und dem Wunsch alles in einer Konstruktion zu bündeln. Generell beeinflussen Fundstücke und für mich neue Materialien den Prozess. Ein Freund aus Frankreich erzählte mir von einem thermoplastischen Kunststoff, den es in Deutschland gebe. Der Kunststoff begleitet mich seit dem ersten Test bis jetzt. Erst verwendete ich ihn zum Bau von Adaptern für Steckverbindungen. Durch die händische Verformbarkeit und die Fähigkeit als detailreiche Abformmasse, ergab sich dann ein Bauen um den menschlichen Körper herum. Vom Skelett kam ich so zum Exoskelett.

Wer oder was hat Dich beeinflusst?

Meine Arbeiten werden vor allem durch das genutzte Material beeinflusst. Außerdem vermute ich, dass – bewusst oder unbewusst – Menschen, mit denen ich mein Atelier teilte, Gespräche mit Professoren, Dozenten, Werkstattleitern, sowie die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst bei Museumsbesuchen einen großen Einfluss haben. Auch die Arbeitsräume tragen ihren Teil bei, da sie die Dimensionen des Möglichen vorgeben und eine spezifische Atmosphäre schaffen.

Du hast an der Kunstakademie Düsseldorf bei Thomas Grünfeld studiert. Inwieweit haben die Akademie und Deine Professoren Dich und Deine Arbeiten geprägt?

Ich habe immer ein paar Sätze des Professors im Ohr und eine spezielle Sichtweise mit auf den Weg bekommen. Zuerst habe ich an der Kunsthochschule Mainz bei Martin Schwenk studiert und bin später nach Düsseldorf zu Thomas Grünfeld gewechselt. An diesen beiden Orten studiert zu haben, empfinde ich im Nachhinein als perfekte Mischung. Ohne Thomas Grünfeld, der viele, auch eher in Vergessenheit geratene, bildhauerische Arbeitsweisen im Blick hat, wäre ich z.B. nicht beim Metallguss gelandet. Obwohl die Klasse Grünfeld allen Medien gegenüber offen ist, ging der Wechsel für mich damit einher dass ich mich komplett auf die Plastik fokussierte. Dies hat auch mit der hohen Anzahl von guten Werkstätten in der Düsseldorfer Akademie zu tun, in denen ich viele für mich neue Techniken lernen wollte.

Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?

In der Regel starte ich nicht mit einem inhaltlichen Konzept, sondern mit einer spielerischen Annäherung an Material. Ich probiere aus, assoziiere, reflektiere. Dabei hat mich lange vor allem eine hohe Mediendichte mit synästhetischer Rezeption interessiert. Ich schrieb Texte, machte daraus musikalisch angereicherte Hörstücken, die ich in Videos und diese wiederum in Medienstationen integrierte. Das hat sich nun etwas verändert. In der aktuellen Reihe nehme ich nun eine Körperpose ein und umforme diese. So ist eine Art Orthese entstanden, eine Körperstütze, ein Exoskelett – Assoziationen zu zeitaktuellen Bereichen wissenschaftlicher Forschung. Das Exoskelett war lange im militärischen und medizinischen Sektor beheimatet und kommt nun auch in die alltägliche Arbeitswelt. In der Logistikbranche und Altenpflege wird z.B. das Heben schwerer Lasten durch einen Maschinenanzug unterstützt. Bei Fabrikarbeit kommen Systeme zum Einsatz, welche die Mitarbeitenden sich jederzeit setzen lassen ohne einen Stuhl zu benutzen. Einerseits geht es um Entlastung, andererseits kann auch kritisch angemerkt werden, dass die so verbesserte Arbeitskraft lediglich zur Leistungssteigerung eingesetzt werden könnte. Die Themen Benutzbarkeit, Funktionalität, Optimierung des Körpers, Effizienz, Kompetenz werden in meinen Objekten – nicht ohne Ironie - aufgegriffen und verarbeitet. Die Begriffe Orthesen und Prothesen kann man auch gut auf die Bereiche Soziologie und Psychologie übertragen. Im Sinne von Erwartungen, Zwänge und Normen der Gesellschaft die uns formen wollen und mit denen wir irgendwie umgehen müssen.

Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?

Ich arbeite in der Regel plastisch, kombiniere also immer Material um in die Höhe zu bauen. Neben den erwähnten Steckverbindungen aus Holzplatten und dem knetbaren Kunststoff nutze ich derzeit auch das Verfahren des verlorenen Gusses. Wachs wird modelliert und teilweise mit Holzelementen kombiniert. Das entstandene Objekt wird anschließend in der Gießerei ausgebrannt und durch Alu oder Bronze ersetzt.

Gibt es ein Werk, in das Du besonders viel Energie investiert hast?

Mille feuille foie gras, das ich beim Bundeswettbewerb in der Kunsthalle Bonn ausgestellt habe, war mein bisher größtes und aufwendigstes Projekt. Das 3,5 m hohe Spanplatten-Steck-Objekt, in dem mehrere Hörstücke und Videos integriert sind, entstand in besonders energieaufwändiger Arbeit.

 
Raumansicht der Abschlusspräsentation, Kunstakademie Düsseldorf, 2019

Raumansicht der Abschlusspräsentation, Kunstakademie Düsseldorf, 2019

Raumansicht der Abschlusspräsentation, Kunstakademie Düsseldorf, 2019 (v. l. n. r): Betrachtungshilfe, 2017, Kunststoffgemisch, Holz, 97 x 50 x 17 cm; Der Denker - eingeschlafen, 2018, Bronze (patiniert), 126 x 20 x 30 cm; H I L F E, 2019, Bronze, 5…

Raumansicht der Abschlusspräsentation, Kunstakademie Düsseldorf, 2019 (v. l. n. r): Betrachtungshilfe, 2017, Kunststoffgemisch, Holz, 97 x 50 x 17 cm; Der Denker - eingeschlafen, 2018, Bronze (patiniert), 126 x 20 x 30 cm; H I L F E, 2019, Bronze, 5 mal 12,5 x 7 x 7 cm – Foto: Paul Schuseil

Pose no.14 (Engel über Waldlichtung), 2018, Kunststoffgemisch mit Kaffee, Holz, Spanplatte, PU-Schaum, 260 x 61 x 42 cm – Foto: Paul Schuseil

Pose no.14 (Engel über Waldlichtung), 2018, Kunststoffgemisch mit Kaffee, Holz, Spanplatte, PU-Schaum, 260 x 61 x 42 cm – Foto: Paul Schuseil

 

Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?

Fast alles, außer malen.

Sammelst Du Kunst?

Nein bisher nicht. Ich bin generell nicht der Sammlertyp. Außerdem finde ich, dass viele Arbeiten die mich ansprechen, im Museum besonders gut aufgehoben sind: theoretisch für alle zugänglich und optimal ausgeleuchtet.

Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt?

Aus der Social-Media-Welt habe ich mich bisher rausgehalten, da ich es sehr befremdlich finde, dass Konzerne neue Kommunikationsweisen quasi patentieren, die dann über Gruppendruck zur Norm werden. Ich werde also erstmal keine Arbeit via Fotoplattform direkt aus dem Atelier verkaufen. Das ist vermutlich nicht besonders strategisch, da es einen Ausschluss aus einem Bereich des Kunstmarkts mit sich bringen kann. Gegen Digitales habe ich allerdings gar nichts, bevorzuge oft sogar Websites gegenüber Büchern. Die Möglichkeiten in der künstlerischen Praxis werden durch die Digitalisierung natürlich stark erweitert. Ein VR-Video werde ich zwar erstmal nicht machen, kann mir aber vorstellen einmal ein bildhauerisches Element 3-D-drucken zu lassen.

An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?

Ein großer hängender Obstkorb und ein Brunnenobjekt sind in der Warteschleife. Gleichzeitig werde ich weiter an Exoskeletten in verschiedenen Materialien arbeiten, jedoch nicht mehr ausschließlich mit dem Menschen als Ausgangspunkt.

Bei Interesse an den Werken von Paul Schuseil kontaktieren Sie bitte Dr. Ruth Polleit Riechert (contact@rpr-art.com)

 
Der Denker - eingeschlafen, 2018, Bronze (patiniert), 126 x 20 x 30 cm – Foto: Paul Schuseil

Der Denker - eingeschlafen, 2018, Bronze (patiniert), 126 x 20 x 30 cm – Foto: Paul Schuseil

Verzweiflungshilfe (portable), 2017, Kunststoff, Holz, 26 x 54 x 30 cm – Foto: Paul Schuseil

Verzweiflungshilfe (portable), 2017, Kunststoff, Holz, 26 x 54 x 30 cm – Foto: Paul Schuseil

 

En

From skeleton to exoskeleton – Paul Schuseil about his artistic development to sculpture

Paul Schuseil was born in Speyer in 1989. He studied art at Kunsthochschule Mainz with Prof. Martin Schwenk and at Kunstakademie Düsseldorf, from which he graduated as master student of Prof. Thomas Grünfeld. He received scholarships from the German Academic Scholarship Foundation and the Eramus Program and an award from Kunsthochschule Mainz, “Advancement Award”.

His works have been shown in numerous shows in Germany and Mallorca, Spain, and are currently exhibited in a group show at K21 Düsseldorf.

Paul, when did you start working as an artist and why? When did you first study art?

A friend of my parents is an artist and comic book lover. Since his studio was in our house, I had early contact with art, among other things when borrowing comic books. The development to the artist was thus a creeping process: from the child who likes to paint, to the pupil, who put the emphasis on art education as much as possible to art studies. Freely independent work was at the forefront here and, as a result, to a certain extent also the activity as an artist, albeit within the protected framework of an institution. Recently I wrote for an entry document on vacation, directly after graduation, for the first time in the category Profession “artist” and not more “student” - there came at the latest the realization that I am now an artist.

How was your way to what you are doing artistically today?

After a brief start in painting (which, however, seemed to me to be a rather closed world), I decided after the orientation year for a sculpting class. There I saw all the possibilities to continue experimenting. In the tool cabinet there was a jigsaw and thanks to renovation measures also some chipboard in the form of old cabinets. This was the starting signal for a modular work with connectors, which I often use until today. The result is never closed bodies but open skeletal structures that sometimes appear as substructures. Initially, it was an intuitive work without a master plan - from one connection to the next. I had the motto "Do today, think tomorrow". Later, usable furniture-like objects and media stations emerged with an interest in the phenomenon of synaesthesia and the wish to bundle everything in one construction. In general, finds and, for me, new materials influence the process. A friend from France told me about a thermoplastic plastic that exists in Germany. The plastic has accompanied me since the first test until now. First I used it to build adapters for connectors. Due to the manual deformability and the ability as a detailed impression material, then an object around the human body resulted. From the skeleton I came to the exoskeleton.

Who or what influenced you?

My work is mainly influenced by the material I use. In addition, I suspect that - consciously or unconsciously - people with whom I shared my studio, conversations with professors, lecturers, workshop directors, as well as dealing with contemporary art at museum visits have a great influence. The workspaces also play their part, as they set the dimensions of the possible and create a specific atmosphere.

You studied at the Kunstakademie Düsseldorf with Thomas Grünfeld. To what extent have the Academy and your professors influenced you and your work?

I've always got a few sentences from the professor in the ear and a special perspective on the way. First I studied at the Kunsthochschule Mainz with Martin Schwenk and later I moved to Düsseldorf to Thomas Grünfeld. In hindsight, having experienced studying in these two places is a perfect mix. Without Thomas Grünfeld, who has many, also rather forgotten, sculptural ways of working in view, I would be e.g. not landed during metal casting. Although the class Grünfeld is open to all media, the change for me was that I focused completely on the plastic. This has to do with the high number of good workshops in the Düsseldorf Academy, where I wanted to learn many new techniques for me.

What concerns do you pursue with your art? What do you want to express?

As a rule, I do not start with a concept of content, but with a playful approach to material. I try, associate, reflect. For a long time, I was particularly interested in a high density of media with a synaesthetic reception. I wrote lyrics, made music enriched radio plays, which I integrated into videos and these in turn into media stations. That has changed a bit. In the current series, I now take a body pose and transform it. Thus a kind of orthosis has arisen, a body support, an exoskeleton - associations to current areas of scientific research. The exoskeleton has long been in the military and medical sectors and now comes into the everyday work environment. In the logistics industry and geriatric care, e.g. supports the lifting of heavy loads by a machine suit. In factory work, systems are used that allow employees to be seated at any time without using a chair. On the one hand, it is about relief, on the other hand, it can also be critically noted that the improved workforce could only be used to increase performance. The topics of usability, functionality, optimization of the body, efficiency, competence are taken up and processed in my objects - not without irony. The terms orthoses and prostheses can also be well transferred to the fields of sociology and psychology. In the sense of expectations, constraints and norms of society that want to shape us and somehow we have to deal with them.

Which techniques and materials do you prefer?

I usually work plastically, so I always combine material to build up. In addition to the above-mentioned connectors made of wood panels and kneadable plastic, I currently also use the lost casting process. Wax is modeled and partially combined with wood elements. The resulting object is then burned out in the foundry and replaced by aluminum or bronze.

Is there a work in which you have invested a lot of energy?

Mille feuille foie gras, which I exhibited at the federal competition in the Kunsthalle Bonn, was my biggest and most elaborate project so far. The 3,5 m high chipboard plug-in object, in which several radio plays and videos are integrated, resulted in particularly energy-intensive work.

If a child asks you what you do artistically, what do you say?

Almost everything except painting.

Do you collect art?

No, not yet - I am generally not the type of collector and also find that many of the works that appeal to me, in the museum are in very good hands. Theoretically accessible to all and optimally lit.

To what extent is digitization changing the art market? What role does digitization play in art and the art market for you?

So far, I have kept out of the social media world, as I find it very strange that corporations are virtually patenting new ways of communicating, which then become the norm through peer pressure. So I will not sell any work via photo platform directly from the studio. That's probably not very strategic, as it can lead to exclusion from one part of the art market. However, I have nothing against digital, often even prefer websites over books. The possibilities in artistic practice are, of course, greatly expanded by digitization. Although I will not do a VR video first, but I can imagine once a sculptural element 3-D print.

Which projects and ideas are you currently working on?

A large hanging fruit basket and fountain object are on hold. At the same time I will continue to work on exoskeletons in different materials, but not exclusively with humans as a starting point.

If you are interested in Paul Schuseil’s work please contact Dr. Ruth Polleit Riechert (contact@rpr-art.com)

www.rpr-art.com
www.paulschuseil.de