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Die Kunstwelt ist kein Ponyhof – Ein Gespräch mit Katharina Klang, Direktorin der Sammlung Philara

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Katharina Klang wollte eigentlich Astronautin oder Paläontologin werden. Heute ist die 34-jährige Direktorin der Sammlung Philara. Wie es dazu kam und warum Sie sich manchmal als Hebamme fühlt, hat Sie uns bei einem Besuch verraten.

Mit der Sammlung Philara, eine namentliche Referenz an seine Kinder Philip und Lara, hat der Kunstsammler Gil Bronner im Düsseldorfer Stadtteil Flingern eine 1.700 qm große Ausstellungsfläche geschaffen. Beheimatet in der ehemaligen Glasfabrik Lennarz, umfasst die Sammlung Arbeiten verschiedener Gattungen wie Malerei, Bildhauerei, Installation, Fotografie und Papierarbeiten.

Wann hast Du Dich das erste Mal mit Kunst beschäftigt? War es schon immer Dein Wunsch, einmal Direktorin zu werden?

Ich erinnere mich an einen Besuch im K20 als Grundschulkind. Dieser hatte zur Folge, dass ich Klee fortan malerisch kopierte. Es faszinierte mich wie er Rosen wahrnahm und abstrahierte. Hinzu kam eine fast manische Bildersammelleidenschaft. Kein Printmedium in unserem Haushalt durfte weggeschmissen werden, bevor ich es nicht vorher durchforstet, nach brauchbaren Bildern durchsucht und ausgeschnitten hatte. Erst im Teenageralter wurde mir bewusst, dass vieles davon Abbildungen von Kunstwerken waren. Ich wollte immer Astronautin oder Paläontologin werden. Später sah ich mich klar in der Auseinandersetzung mit Kunst. Da gab es keinen anderen Weg. Ich würde aber immer noch gerne Astronautin oder Paläontologin werden, nebenbei.

Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute machst?

Nicht sonderlich geradlinig und autodidaktisch. Hauptsächlich durch Beobachtung und Learning by Doing. Es gab nie etwas wie einen Mentor oder eine Mentorin, aber dafür Gil Bronner, der mir Vertrauen schenkte. Hätte man mir während des Studiums gesagt, was ich einmal machen werde, hätte ich skeptisch mit dem Kopf geschüttelt. Ich verdanke Gil Bronner sehr viel. Ohne die Plattform, die er mir gegeben hat, hätte das nicht funktioniert.

Wie wird man Direktorin der Sammlung Philara?

Ich traf Gil Bronner bei einer Eröffnung in der Kunsthalle und er fragte mich, ob ich seine Sammlung archivieren wolle. Das war 2011. Ich begann als Studentin und bin dann mit der Sammlung und an meinen Aufgaben gewachsen.

Nach welchen Regeln kauft Ihr Kunst? Wie ist der Prozess?

Gil Bronner kauft Kunst. Ankaufsabwicklungen gehören nicht zu meinen Aufgaben. Es ist die Sammlung von ihm und seiner Familie. Wir tauschen uns allerdings darüber aus und ich empfehle Künstlerinnen und Künstler, natürlich in der Hoffnung, dass diese in der Sammlung aufgenommen werden. Der Prozess kann dabei ganz unterschiedlich sein: ein direkter Kontakt mit der Künstlerin oder dem Künstler, sofern nicht durch eine Galerie vertreten, über eine Galerie oder ein Erwerb über Auktionen.

 
 

Gibt es eine Mission, ein Sammlungskonzept?

Gil Bronner agiert sehr intuitiv und spontan. Ihm ist eine Zeitgenossenschaft wichtig und die spürt man auch in der Sammlung. Viele der Werke sind humorvoll. Gil verfolgt kein Konzept beim Sammeln. Das macht es im Anschluss so spannend, die Werke unter einem Gesichtspunkt zu präsentieren. Ich würde sogar sagen, es erhöht die Möglichkeiten.

Wie viele Arbeiten hat die Sammlung?

Aktuell: 1670

Gibt es ein Lieblingswerk?

Es gibt mehrere Werke in der Sammlung, die ich sehr schätze, aber auch welche von denen ich das nicht behaupten kann, aber das ist meine subjektive Empfindung. Die Sammlung ist ein eigener Kosmos. Ich probiere in einer optimierenden Logik der Sammlung zu agieren, ihr gerecht zu werden und dennoch neue Impulse zu setzen.

 
 

Nach welchen Regeln kuratierst Du eine Ausstellung?

Das Konzept entwickelt sich auf der Basis der Werke. Das kann immer variieren. Die einzige Regel, die ich tatsächlich befolge ist, trotz des Zeitdrucks sich Zeit zu lassen und ruhig und besonnen zu operieren.

Was hat Dich beeinflusst? Was inspiriert Dich?

Außenseiter. Literatur. Philosophie. Naturwissenschaften. Jede Form künstlerischen Ausdrucks. Pop- und Trashphänomene. Mich interessieren immer die Passionen und Obzessionen anderer.

Du hast Philosophie und Kunstgeschichte studiert. Sind das die Voraussetzungen für eine Direktion?

Nein. Ich hätte sicherlich auch etwas ganz Anderes studieren können – womöglich wäre das auch interessanter. Zu meiner Universitätszeit war das Studium sehr praxisfern und ich suchte die Nähe zur Kunstakademie. Es ist ganz bestimmt nicht hinderlich. Es legt ein Fundament und erleichtert Zugänge. Primär ist es aber für die Außenwahrnehmung wichtiger.

Wenn Dich ein Kind fragt, was Du beruflich machst, was antwortest Du?

Ich bin Hebamme für Ideen. Ich kümmere mich um die richtigen Rahmenbedingungen bevor sie in der Welt debütieren.

Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?

Primär sitze ich am Schreibtisch und schreibe E-Mails oder bearbeite Texte – das ist wahnsinnig aufregend. Während des Auf- und Abbaus von Ausstellungen laufe ich in den Sammlungsräumen umher. Manchmal darf ich auch raus: Studiobesuche, Ausstellungsbesuche, Messen, Meetings mit anderen Kuratorinnen und Kuratoren – eigentlich sollte die Gewichtung darauf liegen, aber der Alltag sieht häufig anderes vor.

Sammelst Du Kunst?

Ich sammle nicht wirklich. Ich habe aber Kunst daheim. Häufig sind das Geschenke von Künstlern die mir nahe stehen, allerdings hängt nur sehr wenig davon. Ich genieße allerdings die Leere meiner Wände.

Welches Museum und welche Galerie beeindrucken Dich?

Ich finde die Konzeption der Museumsinsel Hombroich einzigartig und bin immer wieder sehr gerne dort. Das Musée Gustave Moreau in Paris fasziniert mich auch jedes Mal aufs Neue. Man fällt sofort in eine andere Zeit und verliert sich in den Arbeiten. Galerien? Mutter Ey! Ich mag, dass sie so “fachfremd” startete, keine Akademikerin, sondern wirklich enge Vertraute ihrer Künstlerschar mit cleverer Selbstinszenierung war.

Ein Künstler, der Dich beeindruckt?

Mich beeindrucken Künstlerinnen und Künstler allgemein. Aus einer inneren Notwendigkeit heraus zu agieren, sich öffentlich auszudrücken, verletzlich zu machen. Hohe finanzielle Risiken einzugehen ohne die Absicherung auf Anerkennung und finanziellen Erfolg. Ich finde das ziemlich mutig. Das geht nur, wenn man wirklich überzeugt ist.

Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht? Welche muss man unbedingt sehen?

Tatsächlich zuletzt gesehen habe ich Introverse Arrangements von Michail Pirgelis und Ruth Wolf-Rehfeldt in der Braunsfelder Family Collection, einer Kölner Privatsammlung – eine sehr gut kombinierte Ausstellung. Meine “Must Sees” für dieses Jahr: Rebecca Horn – Körperphantasien im Museum Tinguely – und, eine der wichtigsten Ausstellungen dieses Jahrzehnts oder vielleicht auch Jahrhunderts: Das schwarze Modell von Gericault bis Matisse im Musée d’Orsay.

Was rätst Du jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?

Durchhalten! Die Kunstwelt ist kein Ponyhof.

Wie sieht der Kunstmarkt der Zukunft aus? Hat das klassische Galerie-Modell ausgedient? Welche Rolle spielt die Digitalisierung?

Da ich nur auf einer Seite des Kunstmarkts stehe, kann ich das glaube ich nicht so gut beurteilen wie jemand, der eine Galerie führt. Ich bin da romantisch. Ich glaube an das Überleben von Haptik und der Betrachtung von Originalen. Das ist auch nicht mein primäres Interessensgebiet. Mich interessiert viel mehr, welche gesellschaftlichen Veränderungen dadurch angestoßen werden. Welche Auswirkungen wird die Digitalisierung auf unsere Wahrnehmung, politischen Entscheidungen, Sprache und zwischenmenschlichen Beziehungen haben.

www.philara.de

Text & Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach