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Produktion. Made in Germany

Oliver Laric, Sleeping Boy, 2016

Oliver Laric, Sleeping Boy, 2016

 

Im Juni (03.06.2017 – 03.09.2017) eröffnete die dritte Ausgabe von Made in Germany, die erneut als Kooperation von der Kestner Gesellschaft, dem Kunstverein Hannover und dem Sprengel Museum Hannover ausgerichtet wird. Zehn Jahre nach der Erstausgabe hat das institutionsübergreifende Ausstellungsprojekt erstmalig einen thematischen Fokus. Im Zentrum steht der Begriff der Produktion.

Die zeitgenössische Kunstproduktion ist zwar von globaler Vernetzung und Mobilität gekennzeichnet, dennoch bedarf es weiterhin einer Infrastruktur, gemeint sind damit gleichermaßen Ausbildungs-, Ausstellungs- und Produktionsorte, die den Kunst- und Kulturstandort Deutschland ausmachen. In den vergangenen Jahren konnte in der Kunst eine verstärkte Selbstbefragung der künstlerischen Herangehensweisen beobachtet werden – auch im Hinblick auf die spezifischen Bedingungen der Kunstproduktion in Deutschland. Das Produzieren wird von Künstlerinnen und Künstlern insbesondere im kollektiven Arbeiten, prozessualen Vorgehen und in zeitbasierten Formaten sowie in der Auseinandersetzung mit Herstellungsprozessen und Präsentationsorten thematisiert. Die Auswahl der 41 künstlerischen Positionen in der Ausstellung steht stellvertretend für diese aktuellen Tendenzen, neue Werke sind dafür spezifisch vor Ort entstanden.

Netzwerk und Kollektiv

Das künstlerische Arbeiten in Netzwerken und Kollektiven spiegelt die Erfahrung einer omnipräsenten Vernetzung wider, die heutzutage auf allen existenziellen Ebenen zu erleben ist. Künstlerinnen und Künstler entwickeln Offspaces, Bars, Plattformen und Veranstaltungsformate, in denen sie sich temporär verbinden. Darüber hinaus hat die digitale Kommunikation die Vernetzung und Vervielfältigung der produzierten Inhalte und Bilder beschleunigt. Das Netzwerk als strukturelles Prinzip spielt als Form des Austauschs zwischen Künstlerinnen und Künstlern sowie innerhalb des Produktionsprozesses zahlreicher Werke eine entscheidende Rolle.

Zeit und Prozess

Dem Faktor Zeit als performativem Aspekt und als Konzentration auf den Moment kommt in der zeitgenössischen Kunstproduktion eine Schlüsselrolle zu. Performance-Formate erhalten in diesem Zusammenhang auf zwei Ebenen besondere Bedeutung: Die erste Ebene betrifft die notwendigerweise physische Präsenz von Publikum und Kunstschaffenden, die in einer zusehends digitalen Lebenswelt an Bedeutung gewinnt. Die zweite Ebene umfasst die temporäre Form an sich, die das Kunstwerk als endliche und ephemere Form der Kunstproduktion definiert.

Die Einbindung der Kooperationspartner Festival Theaterformen, KunstFestSpiele Herrenhausen und Schauspiel Hannover, die mit jeweils eigenen Projekten mitwirken, reflektiert diese Schlüsselrolle von performativen Projekten in besonderer Weise.Zugleich wird der Prozess der Produktion in der Thematisierung und Offenlegung der Werkgenese explizit, die sich in den Werken von Julius von Bismarck, Sascha Hahn, Ketuta Alexi-Meskhishvili, Raphaela Vogel oder Peles Empire anhand der selbstreflexiven Thematisierung des Entstehungsprozesses vollzieht.

Ort und Kontext

In den zahlreichen Neuproduktionen der Ausstellung wird auch die Auseinandersetzung mit den spezifischen Orten und Kontexten sichtbar. Ein Großteil der Arbeiten nimmt direkten Bezug auf Ort und Umgebung. Die Vielschichtigkeit der Ausstellungsorte mit ihren jeweiligen unterschiedlichen historischen und architektonischen Gegebenheiten sowie soziokulturellen Aspekten des Umfeldes werden in den Werken von Katinka Bock, Lena Henke, Daniel Knorr, Schirin Kretschmann, Amy Lien & Enzo Camacho, Lotte Lindner & Till Steinbrenner und Yorgos Sapountzis aufgegriffen.

Der gesuchte Ortsbezug steht in großer Spannung zur Globalisierung der Kunstwelt und den erweiterten Aktions- und Lebenskreisen vieler der eingeladenen Künstler. Zugleich ist die Frage, was die Kunst einer vollkommenen Vereinnahmung durch permanente Präsenz und Zirkulation in einer digitalen Welt entgegensetzen kann. Die persönliche Positionierung des Einzelnen, sowohl im Privaten wie auch mit Bezug auf die kulturelle Zugehörigkeit und Identität, wird bei Positionen wie Juliette Blightman, Carina Brandes, Henning Fehr & Philipp Rühr, Willem de Rooij und Hito Steyerl thematisiert.

Thematischer Fokus

Vor dem Hintergrund der thematischen Fokussierung auf die Frage nach den Produktionsbedingungen in der Kunst in Deutschland, sind erstmalig punktuell Künstler der älteren Generation mit eingeschlossen. Exemplarisch stehen sie für eine Prägung und Einflussnahme auf eine jüngere Künstlergeneration: Hito Steyerl als feministische und kritische Künstlerin, welche die digitalen Medien und ihre politische und ökonomische Implikationen hinterfragt. Willem de Rooij als Künstler, der konzeptuell Fragen der künstlerischen Autorenschaft aufwirft. Thomas Ruff schließlich als Künstler, der bereits sehr früh und in immer neuen Ansätzen eine präzise Befragung des (fotografischen) Bildes vornimmt, stets die technischen Mittel, die zum Bild führen, miteingeschlossen.

“Es ist ein herausragender Erfolg, dass Made in Germany nun bereits zum dritten Mal in der Landeshauptstadt Hannover stattfindet. Das zeigt, wie stark die Häuser für zeitgenössische Kunst in Hannover sind. Eine so große Ausstellung gemeinsam zu realisieren, ist ein beeindruckender Ausweis ihrer Leistungsfähigkeit.”
— Stefan Schostok, Oberbürgermeister von Hannover
 
Raphaela Vogel, Uterusland, 2017, Ausstellungsansicht Kunstverein Hannover

Raphaela Vogel, Uterusland, 2017, Ausstellungsansicht Kunstverein Hannover

 

Standort und Historie

Das Ausstellungsprojekt wurde vor zehn Jahren als Kontrapunkt zu den globalen Großprojekten wie documenta oder Biennale Venedig in Hannover ins Leben gerufen. Mit der Kestner Gesellschaft und dem Kunstverein Hannover sind zwei der größten und renommiertesten Kunstvereine Deutschlands sowie mit dem Sprengel Museum Hannover eines der profiliertesten deutschen Häuser mit herausragender Sammlung und internationaler Ausstrahlung in Hannover vereint. Zusammen bilden diese bedeutenden Institutionen dieses Jahr erneut eine breite Plattform für die Gegenwartskunst.

Der Untertitel der ersten Ausgabe von Made in Germany im Jahr 2007 lautete "Aktuelle Kunst aus Deutschland". Schlaglichtartig wurden das breite Spektrum und die Viel-falt der zeitgenössischen und jungen Kunstproduktion in Deutschland gezeigt. Dabei ging es nicht um die Definition einer nationalen Kunst, Ziel war es vielmehr, künstlerische Produktion in Deutschland als ein Geflecht aus nationalen Standortbedingungen, jeweils unterschiedlichen biografischen und nationalen Spezifika und daraus resultierendem kulturellem Austausch sichtbar zu machen.

Diese Zielrichtung rückte fünf Jahre später bei der zweiten Ausgabe von Made in Germany in den Mittelpunkt. Die Überblicksschau zeigte eine jüngere Generation internationaler Künstler, die in Deutschland leben und arbeiten, und setzte sie anhand von sechs verschiedenen Themenfeldern in Bezug zueinander.

Zehn Jahre nach der Erstausgabe ist die Internationalität des Kunst- und Kulturstandorts Deutschland vollkommen selbstverständlich und nicht mehr wegzudenken. Erstmals richtet sich die Großausstellung verstärkt thematisch aus. Mit Produktion. Made in Germany liegt der Schwerpunkt auf dem "Made" im Titel, also auf der Produktion von Kunst sowie den Produktionsbedingungen in Deutschland. Verschiedene Faktoren wie kollektives und ortsspezifisches Arbeiten, Prozesshaftigkeit und Performance werden unter sich ändernden Vorzeichen wie Globalisierung, Digitalisierung und Migration betrachtet.

Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

www.produktionmadeingermany.de
www.kunstverein-hannover.de
www.kestnergesellschaft.de

Quelle: Pressemitteilung, Produktion. Made in Germany
Fotos: Katinka Bock, Population, 2017; Raphaela Vogel, Uterusland, 2017, Foto: Raimund Zakowski