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Der einfühlsame Blick der Alice Neel

Alice Neel with paintings, 1940, Foto: Sam Brody, Estate of Alice Neel

Alice Neel with paintings, 1940, Foto: Sam Brody, Estate of Alice Neel

 

Alice Neel (1900–1984) gehört zu den bedeutendsten amerikanischen Malerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie war Zeugin eines Jahrhunderts im Wandel, das sie in ihren ausdrucksstarken, psychologisch tiefgründigen Bildern festgehalten hat. Mit ihrem einfühlsamen Blick und virtuosen malerischen Können dringt Neel zum Kern der Person vor. In ihrem Frühwerk zeigt sich die Verbindung zum deutschen Expressionismus und zur Neuen Sachlichkeit, während ihr Spätwerk sie zur einflussreichsten Porträtistin der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts macht.

In der Ausstellung (13.10.2017 bis 14.01.2018) der Deichtorhallen Hamburg werden rund 110 Werke aus sechs Jahrzehnten gezeigt: von frühen Arbeiten aus dem Jahr 1926 bis hin zu Werken aus dem Jahr 1984. Ergänzt durch Stillleben und Stadtansichten zeigt die Ausstellung erstmals in Deutschland einen umfassenden Überblick über das Schaffen dieser Ausnahmekünstlerin.

Ihr Hauptwerk entstand in ihrer New Yorker Nachbarschaft, in Greenwich Village, Spanish Harlem und schließlich an der Upper West Side. Alice Neel hat zahlreiche Mitglieder der Kulturszene New Yorks gemalt, unter anderem den Pop-Art-Künstler Andy Warhol, der dieses Bildnis als das beste von ihm je geschaffene bezeichnete. Darüber hinaus porträtierte sie Familienmitglieder, Freunde, Nachbarn oder zufällige Bekanntschaften. Neels Aufmerksamkeit galt aber gleichermaßen den Unterprivilegierten, den Armen und Diskriminierten. Sie führte ein äußerst bewegtes Leben als alleinerziehende Mutter und Mitglied der New Yorker Künstlerszene. Sie engagierte sich Zeit ihres Lebens politisch, sympathisierte mit dem Kommunismus und wurde zum Symbol der Frauenrechtsbewegung.

Die umfangreiche Schau wurde von Jeremy Lewison kuratiert, einem führenden Experten für Neels Werk, der als Berater für den Estate von Alice Neel tätig ist.

Jeremy Lewison: “Bereits früh in ihrer Karriere hat Neel radikale, freimütige Aktporträts von Frauen und Männern gemalt, die sich stark von den Werken ihrer Zeitgenossen unterschieden. Mit einem besonderen Feingefühl gelang es ihr immer, den Zeitgeist einer Epoche einzufangen. Das Porträt von Jackie Curtis und Ritta Redd - eines ihrer bekanntesten - fängt in einzigartiger Weise das freie Leben der Mitglieder von Andy Warhols Factory ein. Curtis wurde in Lou Reeds berühmten Lied Walk on the Wild Side erwähnt.”

Auf breitere Anerkennung in der Kunstwelt musste Neel bis Mitte der 1970er Jahre warten. Kritiker bemängelten ihren realistischen Stil als Rückkehr zum vorigen Jahrhundert. Dennoch sind die kraftvollen Bilder von Alice Neel schon zu ihren Lebzeiten Inspiration für zahlreiche Künstlerinnen und Künstler gewesen. Zu ihren Bewunderern zählen u.a. Chuck Close, Marlene Dumas, Alex Katz und Elizabeth Peyton.

 
Alice Neel, Nancy and the Twins (5 Months), 1971, Foto: Malcolm Varon, Estate of Alice Neel

Alice Neel, Nancy and the Twins (5 Months), 1971, Foto: Malcolm Varon, Estate of Alice Neel

Alice Neel, Pregnat Julie and Algis, 1967, Foto: Malcolm Varon, Estate of Alice Neel

Alice Neel, Pregnat Julie and Algis, 1967, Foto: Malcolm Varon, Estate of Alice Neel

 

Die Ausstellung wird von einem umfangreich bebilderten Katalog begleitet, mit zahlreichen Texten internationaler Autoren, die Alice Neels Karriere aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.

www.deichtorhallen.de

Fotos (Preview): Alice Neel, Ginny and Elizabeth, 1975, Foto: Ethan Palmer, Estate of Alice Neel
Quelle: Pressemitteilung, Deichtorhallen Hamburg