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Less is a Bore. Reflections on Memphis

Tobias Rehberger, Installationsansicht

Tobias Rehberger, Installationsansicht

 

Provokativ und dekorverliebt, den übermächtigen Modernismus herausfordernd und von der Architektur beseelt – so machte Memphis Design Anfang der 1980er Jahre von sich reden. Less is a Bore. Reflections on Memphis stellt Objekte aus den ersten Produktionsreihen von Martine Bedin, Michele de Lucchi, Alessandro Mendini, Ettore Sottsass, Peter Shire und Matteo Thun in einen Zusammenhang mit Werken internationaler Künstlerinnen und Künstler und spannt dabei einen historischen Bogen bis zur Gegenwart.

Die Ausstellung (19.10.2016 bis 11.02.2016, KAI10, Arthena Foundation, Düsseldorf) beleuchtet die Rolle von Memphis als referenzgebundenes, postmodernes Spiel mit Materialien, Formen und ihren Funktionen, das die Grenzen zwischen Kunst, Architektur, Design und Alltagskultur porös werden lässt. Bis heute sind Spuren dieser Haltung auch in der Kunst nachvollziehbar. Less is a Bore skizziert eine Stilgeschichte, die aus Phänomenen der Massenkultur sowie aus Mode und Kulturgeschichte Impulse bezieht und sich in einer geradezu obsessiven Begeisterung für die Ausdrucksmöglichkeiten von Oberflächen zeigt. Die für Memphis charakteristischen Kippeffekte und das Unbestimmte der Erscheinung zwischen Kanne und Kreatur, zwischen Möbel und figürlicher Gestalt finden sich in den Kunstwerken der Ausstellung wieder, die zwischen Architekturmodell und autonomer ästhetischer Illusion wechseln. Auf Memphis verweisen auch von Künstlern gestaltete Objekte, die in latenter Nähe zu den Gebrauchsgegenständen unseres Alltags stehen und unser Funktionsdenken spielerisch herausfordern.

Eine Verwandtschaft zu den Entwürfen von Memphis und deren opulenten Oberflächen zeigen die kantigen Objekte Graham Littles, deren Dekor auf Muster und Formen aus der Mode zurückgeht, ebenso aber von historischen Gebäudefassaden inspiriert ist. Little überzieht seine Skulpturen mit einer illusionistisch gemalten ‚Haut‘ und erinnert auf diese Weise an die polarisierende Co-Existenz von Oberfläche und Form vieler Memphis Objekte. Eva Berendes schöpft aus dem Pool alltäglicher Gebrauchsgüter und nutzt diese als formale Elemente der Gestaltung. Ihre Assemblagen aus unterschiedlichen Werkstoffen und Objekten sind von der Flächenkomposition abstrakter Malerei inspiriert, erinnern aber ebenfalls daran, dass die Dinge Träger kultureller Bedeutungen sind. Für Tobias Rehberger ist die Grenze zwischen künstlerischem Objekt und gestaltetem Gebrauchsgegenstand dynamisch. Die Skulptur Cutting, preparing, without missing anything, and being happy about what comes next (2009) basiert auf der Vorstellung des befreundeten Künstlers Rirkrit Tiravanija über sein bevorzugtes Wohnumfeld. Nicht ohne Humor spielt Rehberger damit auf die zeitgenössische Rolle des Designs zur Erzeugung eines individuellen Lebensstils an. Ursprünge dieser Entwicklung finden sich in den Entwürfen von Memphis, die das Design von seinem funktionalen Zuschnitt entkoppelten und es als Projektionsfläche für individuelle Stimmungen und Gefühle nutzten. Das Memphis-typische Spiel mit Skalierungen zwischen Architektur und Modellhaftigkeit findet sich auch in den Gemälden Raymond Barions, dessen Motive Impulse aus Architektur und Kulturgeschichte aufgreifen und auch im Kolorit einen Hauch jener Objekte versprühen, welche die Gruppe um Ettore Sottsass hervorgebracht hat. Barbara Kasten nutzt Materialien und Objekte, u.a. aus dem architektonischen Modellbau, die sie arrangiert und anschließend fotografiert. Ihre Aufnahmen konzentrieren sich auf das ephemere Erscheinen der Dinge, die durch ihren fotografischen Blickwinkel im Wortsinn gefärbt sind. Der Vorstellung einer, von dieser subjektiven Konstruktion unabhängigen Realität entzieht die Künstlerin damit den Boden. Auch dadurch erweisen sich Kastens Arbeiten als Zeugen jener Zeit, in der sich Architektur und Design von ihrem funktionalen Auftrag lösen und in ein sinnliches Abenteuer verwandeln, welches vor allem unseren Blick und weniger unseren Körper adressiert. Neben einer Werkgruppe von großformatigen Polaroids aus den 1980er Jahren, die in Deutschland bisher noch nie gezeigt wurden, präsentiert Barbara Kasten außerdem eine eigens für KAI 10 konzipierte Installation, die auf einer Videoprojektion basiert.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog bei Spector Books mit Texten von Julia Höner, Tido von Oppeln und Oliver Tepel.

www.kaistrasse10.de

Quelle: Pressemitteilung, KAI10, Arthena Foundation
Kuratorin: Julia Höner
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf