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Die Künstlerin Olga Jakob und die Galeristin Denisa Alber im Gespräch mit Jasmina Spac

Olga Jakob und Denisa Alber – Foto: Martha Herford

 

Es gibt viele Dinge, für die man Künstler schätzen kann. Ihre Arbeit, ihre Ansicht auf die Umwelt und das, was sie aus dieser Perzeption heraus wiederum extrahieren. Um aus diesem Ventil heraus Kunst zu kreieren.

Die Galeristin Denisa Alber indes schätzt an ihren Künstlern jedenfalls Wagnis: “Mut aus funktionierenden Serien auszubrechen und sich neuen Fragen zu stellen, schätzen wir sehr an unseren ProgrammkünstlerInnen. Das Programm der Galerie ist sehr stringent, unser Fokus liegt auf der Erweiterung des Malereibegriffs, uns geht es um die Auseinandersetzung der KünstlerInnen mit dem Bildträger, um die indirekte Antwort von abstrakter Kunst auf das Zeitgeschehen.”

Ist es nicht das, worum es Kunst immerzu geht? Ist Kunst nicht immer in einem stetigen Duell mit ihren Rezipienten?

Führt die Kunst jedoch auch nicht immerzu auch einen Monolog mit sich? In dem steten Begriff, sich fortwährend weiterzuentwickeln?

Manchmal fordert Kunst ihren Betrachter still heraus, sie wahrzunehmen. Manchmal auch in polemischer Manier, indem sie eine Reaktion ihres Publikums schier provoziert, Grenzen der Gesellschaft auslotet, mit gängigen Konventionen bricht, die es in der Kunst doch eigentlich auch nicht gibt.

Jedenfalls detektiert Denisa Alber, die seit 2018 erfolgreich die Kölner Galerie Alber zusammen mit Marco Alber führt, nach diesem Credo vielversprechenden Kunstnachwuchs.

Den Mut, aus funktionierenden Serien auszubrechen, bringt die 1985 in Kiew geborene Künstlerin Olga Jakob ebenso mit, wie die Tatsache, dass der konventionell geltende Malereibegriff durch ihre Umsetzung der Kunst tatsächlich erweitert wird. Ja, im Besonderen auf eine neue Ebene gebracht wird.

Und irgendwie vermag man sich als eine Art “Dilettant in der Kunstlandschaft” zu fühlen, mit der Annahme, dass Malerei doch zwangsläufig nur gemalt sein kann. Aber eben nur kann. Denn Jakob beweist, dass der Malereibegriff neu geschrieben werden muss – und durch seine neuen Gestaltungsformen unweigerlich neue Möglichkeiten eröffnet werden, neue Spannungsfelder zu erschaffen.

Tatsächlich “malt” Jakob mit ihren Instrumenten; Textilien, Stoffe, Papier sind hier die tragenden Säulen ihrer “Gemälde”.

Und wie eingangs erläutert: es gibt Kunst, die ihren Betrachter in stiller Art und Weise herausfordert, sie wahrzunehmen. Hierzu gehören Jakobs Werke: Subtil fordern sie ihren Betrachter heraus, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Sie verfügen über eine neuartige Dynamik, die sich unmittelbar bei ihrer Betrachtung entfaltet. Und gleichzeitig lösen sie eine im positivsten Sinne faszinierende Irritation aus. Denn Olga Jakobs Spiel mit textilen Materialien, die dank ihrer unterschiedlichsten Strukturen den Werken mal einen bildhauerischen, installativen Charakter verleihen und doch wie Gemälde anmuten, bergen neue Möglichkeiten der Malerei, losgelöst von den gängigen Prinzipien, erschaffen durch “Farbe und Pinsel”.

Das in den Galerien und Kunstmuseen dieser Welt vorherrschende “Don ́t touch!” ... Man muss sich schier zwingen, sich nicht darüber hinwegzusetzen. Schließlich lebt Kunst nicht nur vom Betrachten, Verstehen, Schlüsse ziehen – sondern auch von dem Haptischen; Nah dran sein, die Strukturen der textilen Gemälde erkunden, das neue geschaffene Spannungsfeld durch taktile Reize zu begreifen – eine neue Dimension: “Textil ist ein Material mit dem wir am häufigsten und nächsten miteinander verbunden sind. In dieser Distanzlosigkeit sehe ich eine Stärke, da es eine Vertraulichkeit und Selbstverständlichkeit mit sich führt. Diese Unmittelbarkeit des Materials ist Ausgangspunkt für mein künstlerisches Handeln, das Textile ist eine Weltsprache im globalen Kontext”.

 
 

Nicht umsonst hat die Künstlerin 2019 den mit 10.000 EUR dotierten Kalinowski-Preis erhalten. Aus den textilen Schaffenswerkzeugen gewinnt sie die Essenz dessen, um die überbordenden Möglichkeiten, die sich durch das Arbeiten mit Materialien ergeben, in ihre künstlerische Sprache zu übersetzen, die Metaphorik in ihrer Kunst wird jedoch real: Eine Naht als Bindeglied zwischen zwei unterschiedlichen Stoffen, die durch sie eine Einheit bilden und zu einem großen Ganzen werden, einem alleinstehenden Kunstwerk. Eine Naht als Pfad, als Marker, das seine Spuren auf einem textilen “Globus” hinterlässt, als Leinwand aufgespannt.

Die Wandelbarkeit von Textilien, von Stoffen, die ihresgleichen suchen in der Disziplin des Mimikry: mal sanft und formbar, zurückhaltend, als subtile Leinwand dienend. Mal dominant und, wie ein Fels in der Brandung, standhaft als ein Relief, alleinstehend den Raum füllend.

Doch das Œuvre Jakobs wird nicht nur von Textilien als künstlerische Instrumente begründet – Die Künstlerin geht darüber hinaus. Was in der zusehends digitalisierten Welt an Bedeutung verliert, ist bei Jakobs Kunst ein elementarer Bestandteil: Papier.

Wenn man bei Olga Jakobs Werken von “textilen Gemälden” spricht, vermag es zunächst, vormals erwähnt, nach einer Metapher zu klingen, der aber die “reale” Wahrheit“ innewohnt. Wie bei einem Gemälde im klassischen Sinne auch; kann man bei ihren Werken von einer Art malerischen Prozess sprechen, der bei der Anfertigung dieser dahintersteckt: So wurde etwa bei der Arbeit “CMYK II” industrielles Polyestergewebe anstelle der bei einem klassischen Gemälde vorhandenen Malerleinwand verwendet. Auf das Polyestergewebe, was nun der Leinwand entspricht, applizierte Jakob Fragmente aus Altpapier, die sich wie ein Netz aus Pfaden und Wegen über die “polyesterne” Leinwand spannten: Reiseprospekte, Werbung. Ein Sammelsurium und Spiegelbild unserer Konsumgesellschaft, gespannt auf ein 10 Meter langes Textilstück, welches, je nach Lichteinfall und dessen Einwirkung auf der textilen Oberfläche, neue Reflexionen und Sichtweisen eröffnet.

Welche Fülle es an Pinseln gibt, wie Leinwände unterschiedliche Strukturen aufweisen können und wie unterschiedlich diese Farben aufnehmen und wiedergeben können – so verhält es sich auch mit dem Werkzeugkasten von Jakob, dem Papier und dem Textil.

Denn bei den Reliefs aus der Macula-Serie etwa, wird der Tanz der Trias, Textil, Papier und Licht, von Jakob gekonnt fortgeführt: Polyestermaterial wurde vernäht und mit Packseide überzogen. Durch diese 2-Ebenen Struktur und den jeweiligen im Raum vorherrschenden Lichtspiel entsteht tatsächlich ein illusionistisches Gemälde – das Vordringen in eine neue Dimension der Perzeption von Malerei ist vollendet.

So sieht es auch die Galeristin Denisa Alber, in deren Galerie Jakob zur Zeit mit der Ausstellung “ma” zu sehen ist: “Olga Jakob ist radikal, im Sinne von, dass sie an die Wurzel geht. Das zeigt sich in ihrer Technik und das zeigt sich in den Schritten zwischen ihren verschiedenen Serien. Ihre Arbeiten verfügen über eine durch ihren Umgang mit dem Material erzeugte Strenge, die dem Bildträger mehr Möglichkeiten gibt, als ihn einzuengen. Andererseits gibt sie bestimmten Werken die Möglichkeit den Raum komplett einzunehmen und zu bestimmen.”

Jakobs Arbeiten nehmen Räume zweifelsohne ein; was auch das erklärte Ziel der Künstlerin ist, eine Reise durch die Ebenen der Räume: “Das Dazwischen, zwischen Form und Nicht-Form interessiert mich, sowie gegensätzlichen Elementen zu erlauben zu koexistieren (...) und auch, mit spartenübergreifenden Kollaborationen neue Raumdimensionen zu erforschen. Die Materialien geben mir Anlässe zum Handeln. Doch sie stehen in direkter Verbindung zum Raum, Ort und Kontext, der Umwelt.”

So, wie Jakob mit Textilien und Papier neue Ebenen schafft, steht dies auch sinnbildlich für die Reise, auf die sie uns mit ihren Werken nimmt – und uns und unsere scheinbar so verankerte Erwartungshaltung herausfordert, die gerade in der Kunst nie allgemeingültig ist.

Auch die Malerei weist mehrere Ebenen auf, hat nie einen fixen DNA-Helix, nie einen strikten Bauplan. Sonst wäre Malerei nicht der Kunst zugehörig, sondern der Architektur, dort, wo auch die “Kunstwerke aus Glas und Beton” den fixen Grundsätzen der Statik unterworfen sind. Die Kunst aber ist frei, losgelöst und schreibt gängige Sparten immer neu. So verhält es sich auch hier mit der Malerei Jakobs. Der Begriff Malerei ist keiner Etymologie unterworfen. Malerei ist einzig der Freiheit unterworfen. Der Freiheit künstlerischen Interpretation.

Die Arbeiten von Olga Jakob sind noch bis zum 20. März 2022 in der Galerie Alber zu sehen. Im Anschluss an die Ausstellung findet eine Benefizausstellung statt. Alle Gewinne gehen über Olga Jakobs direkten Kontakt nach Kiew (Ukraine).

Rearranged
Charity Exhibition for Ukraine
02.04. bis 09.04.2022

www.olgajakob.de
www.galeriealber.com

Text: Jasmina Spac
Fotos: Galerie Alber (Installationsansichten), Martha Herford (Olga Jakob und Denisa Alber)